Wie erzieht Gott seine Kinder?

von Richard Henrich
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Schon als kleiner Junge habe ich mich gefragt, warum die Israeliten von Gott so hart gezüchtigt worden sind und nochmals 40 Jahre in der Wüste umherirren mussten. Für mich war das lange nicht verständlich, weil es so unverhältnismäßig brutal für mich klang, nachdem sie sich doch so sehr nach der Sklaverei aufs gelobte Land freuten und ohnehin zahlreiche Strapazen, Hindernisse, Gefahren und Ungewissheit erleben mussten.

Ein Vers der Bibel zeigt uns jedoch auf, wozu diese Wüstenwanderung gut war:

„Und du sollst an den ganzen Weg denken, den der HERR, dein Gott, dich diese vierzig Jahre in der Wüste hat wandern lassen, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen und um zu erkennen, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht.“

5. Mo 8,2

1. Das Volk musste Demut lernen

Israel war stets aufsässig gegenüber Gott und Mose. Diese Haltung erforderte, dass Gott das Volk demütigten musste. Demut bedeutet wörtlich „drunter bleiben“. Sie wird dann gelernt, wenn man durch harte, tiefe Täler gehen muss. Bei mir waren das die Arbeitslosigkeit und die komplizierte Schwangerschaft meiner Frau mit unserer Tochter, deren Ausgang bis zum Tag der Geburt ungewiss war. Bei dir ist es evtl. eine Krankheit, eine Krise, Ängste, Unsicherheit, Perspektivlosigkeit, Nöte, Sorgen oder sonstige unangenehme Zustände in deinem Leben.

Diese Umstände dienen dazu, dass Gott uns in seiner Erziehung beibringt, sich ihm auszuliefern und zu unterstellen. Das bedeutet, uns gerne unter solche Umstände zu beugen und zu erkennen, dass auch diese zu unserem Besten dienen. Josef lernte Demut durch das Tal in Ägypten. Seinen Brüdern gegenüber bezeugte er in 1. Mose 45,5: „Denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt.“ Und in Vers 8: „Und nun, nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott.“ Josef erkennt demütig an: Es geht nichts an Gottes Schreibtisch vorbei, was uns betrifft, ohne dass Er es unterschreibt, ja viel mehr noch: Gott leitet das Geschehen aktiv! Unter diesen Gott beuge ich mich in allem.

Ebenso lernen wir auch von Davids Haltung, alles im Leben demütig so hinzunehmen und Gott hinter allem zu sehen. In 2. Samuel 16,10 lesen wir Davids Worte, nach dem Schimi ihn verfluchte und dies normalerweise dessen Tod bedeuten würde: „Ja, soll er doch fluchen! Denn wenn der HERR ihm gesagt hat: Fluche David! – wer darf dann sagen: Warum tust du das?“ In Vers 11 bestätigt David dies erneut: „Lasst ihn, mag er fluchen! Denn der HERR hat es ihm gewiss gesagt.“

Demut bedeutet per Definition: die Bereitschaft, etwas als Gegebenheit hinzunehmen, nicht darüber zu klagen und sich selbst als eher unwichtig zu betrachten. Es ist gut, dass Gott uns demütigt, damit wir – so wie das Volk Israel auch – Ihn hinter allen Umständen und den schweren Führungen erkennen.

2. Das Volk wurde auf seinen Charakter hin geprüft

Israel wurde sehr hart geprüft in diesen 40 Jahren. Es waren gewaltige Lektionen dabei. Hunger und gefühlte Verlassenheit, interne Querelen und immer wiederkehrende Kriege. Gott hat diesen Zeitraum zur Prüfung seines Volkes genutzt, um dessen Charakter zu schleifen. Nichts von alledem soll umsonst gewesen sein!

Die Herausforderung an uns soll ebenfalls diese sein: Nimm auch du harte Umstände im Leben als Prüfungen Gottes an, welche dich stärken und voranbringen sollen. Der Prophet Jesaja bestätigt dies am Bild der Läuterung. Gold und Silber wurden in der Glut geläutert, um Verunreinigungen zu entfernen und eine formbare, kostbare Masse zu schaffen, Gottes Volk wird jedoch anders geformt: „Siehe, ich habe dich geläutert, doch nicht im Silberschmelzofen; ich habe dich geprüft im Schmelzofen des Elends“ (Jes 48,10). Die tiefen Täler des Volkes waren notwendig, um den Charakter zu schleifen.

Der Autor von Psalm 119 zeigt in Vers 67, dass die harten Wege Gottes ihn erst geschliffen haben und ihn zu dem machten, was er schlussendlich war: Ein Mann nach Gottes Herzen! Er schrieb dazu: Bevor ich gedemütigt wurde, irrte ich. Jetzt aber halte ich dein Wort. Harte Disziplinierungen Gottes durch unangenehme Umstände und Situationen schleifen deinen und meinen Charakter wie einen Diamanten, der erst nach vielen Schliffen zu seiner vollen Pracht kommt.

3. Das Volk sollte erkennen, was in ihm steckt

Israel wusste zuvor nicht, was alles in seinem Herzen steckte. So geht’s auch uns Menschen. Wir wissen gar nicht, was in unserem Herzen alles drin ist! Jeremia stellt die rhetorische Frage nicht umsonst: „Trügerisch ist das Herz, mehr als alles, und unheilbar ist es. Wer kennt sich mit ihm aus?“ (Jer 17,9). Niemand kennt sich damit aus! Durch harte Umstände jedoch lässt Gott uns unser eigenes Herz ergründen. Gott weiß nämlich, was in unserem Herzen ist – deswegen schreibt Mose, dass das Volk dies auch erkennen musste! Wir wissen nicht, was in uns alles drinsteckt, bevor Gott uns nicht harte Wege führt. Dies kannst du leicht mit einem Teebeutel vergleichen. Ich tu mich schwer, den Inhalt eines Teebeutels durch Anfassen und Riechen zu bestimmen, weswegen Teebeutel auch die Eigenschaft besitzen, dass sie gemäß Fähnchen am Schnürchen angewandt werden sollten. Erst wenn du den Teebeutel lange genug ins heiße Wasser tauchst und ihn ziehen lässt, erfährst du, was für ein Aroma der Tee entfaltet und welche Farbnuancen er hat. Das geht nicht einfach so in 10-12 Sekunden, sondern dauert häufig 5-8 Minuten. So verhielt es sich auch mit dem Herzen Israels! Es genügte nicht, das Volk nur paar Kilometer Umweg gehen zu lassen oder vier Wochen auf Tour durch die Wüste zu schicken. Es waren ganze vierzig harte Jahre notwendig, um sich selbst und das Innerste zu erforschen.

Bedenke eines noch: Gott straft dich nicht! Gott erzieht. Im gesamten Neuen Testament wird für den Begriff züchtigen in Bezug auf Gotteskinder das griechische Wort paideuo verwendet. Der uns bekannte Begriff Pädagogik leitet sich hiervon ab und bedeutet schlichtweg erziehen. Für juristisches Strafen werden die Worte kolazo (2. Petr 2,9) oder dike (2. Thes 1,9) verwendet. Was wäre denn, wenn Gott uns strafen würde? Er wäre ungerecht gegenüber Seinem Sohn! Jesus Christus trug die Strafe gemäß Jesaja 53,5 sodass wir de jure nicht mehr belangt, de facto jedoch zu Ihm hin erzogen werden.

Abschließend können wir somit sagen: Gott erzieht mit dem Ziel, uns Demut unter Seine Führung zu lehren, unseren Charakter zu schleifen und uns schlussendlich selbst unsere Unzulänglichkeit erkennen zu lassen. Über allem steht jedoch die Absicht unseres großen Gottes, Seine Kinder zu Seinem Wohlgefallen zu formen und Seine Ehre mehr und mehr erstrahlen zu lassen – denn Gott teilt Seine Ehre mit niemandem! (Jes 42,8)

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