In einer Woche findet die Bundestagswahl statt. Eine vorgezogene Neuwahl, um genau zu sein. Zudem ist unser Land politisch (und eigentlich auch gesellschaftlich) sehr stark gespalten. Im besten Fall kann man davon sprechen, dass die Polarisierung des politischen Spektrums zunimmt, im schlechtesten Fall muss man von zwei politischen Lagern sprechen, die kaum miteinander sprechen, geschweige denn zusammenarbeiten.
Und auch die Gesetzgebung der letzten Monate ist aus christlicher Sicht zutiefst beunruhigend. Denken wir nur an das Selbstbestimmungsgesetz, das im November in Kraft trat oder an die Vorstöße zur Liberalisierung des Abtreibungsparagraphen 218.
Aber wie sollten wir als Christen eigentlich über die Wahlen denken? Ist es unsere Pflicht, wählen zu gehen? Und wen sollen wir wählen?
Disclaimer
Ich werde in diesem Artikel keine Wahlempfehlung aussprechen. Das ist weder meine Aufgabe noch meine Absicht. Ich möchte eine christliche Sicht auf Politik vermitteln und ein paar Prinzipien an die Hand geben, auf was man beim Wählen als Christ achten sollte. Das mag die Wahlentscheidung beeinflussen oder bestätigen, ich möchte dabei aber keine Partei absichtlich propagieren oder bewerben. Die Wahlentscheidung liegt bei jedem Einzelnen und kann (und darf) in einer Demokratie nicht von anderen getroffen werden.
Auch wenn nicht alle Leser dieses Artikels alt genug sind, um zu wählen, ist das Thema auch für sie interessant, denn höchstwahrscheinlich sind sie bei der nächsten Wahl alt genug und können das Gelernte dann anwenden.
Warum sollte ich wählen gehen?
„Wer wählen darf, der sollte auch wählen gehen!“
Wahrscheinlich ist dir diese Aussage so oder so ähnlich schon hundert Mal begegnet. In der Schule, in den Nachrichten oder sonst wo. Aber was sagt eigentlich die Bibel zum Thema „Wählen“?
In der Zeit der Bibel war die Demokratie nicht das vorherrschende System und die meisten Länder hatten einen König oder Kaiser. Folglich finden wir recht wenig direkte Aufforderungen oder Anweisungen zum Thema „Wählen“. Aber auch wenn wir keinen direkten Aufruf finden, sagt uns die Bibel trotzdem, dass wir wählen gehen sollen. Für die Bibel ist das Thema Staat und Politik nämlich kein Tabuthema, wie für viele Gemeinden in der heutigen Zeit. In Römer 13 wird jeder Christ dazu aufgerufen, sich den Obrigkeiten unterzuordnen, „die über ihn gesetzt sind“. Wir sollen also die Autoritäten, die gegeben sind, respektieren und ihren Anweisungen (grundsätzlich)[1] folgen. So ist der Aufruf der Bundesverfassung, dass die Bürger die Regierung wählen sollen, ein Aufruf, dem wir uns beugen sollen.
Wenn wir Römer 13 weiterlesen, dann sehen wir auch, von wem die Obrigkeit gesetzt ist, nämlich von Gott. Wir bekommen aber in der Staatsform der Demokratie die Möglichkeit Gottes Mittel der Wahl zu sein, um die Regierung mitzubestimmen. Es ist so ein bisschen wie mit der Evangelisation. Gott braucht uns nicht, um Menschen das Evangelium zu verkünden, trotzdem beauftragt er uns dazu. Ebenso sind wir, die wir in einer Demokratie leben, dazu beauftragt, mitzuwirken.
Da Deutschland eine Demokratie ist, sollten wir als Christen deshalb am 23.2 zur Wahlurne gehen und wählen.
Worauf gilt es bei der Wahlentscheidung zu achten?
1. Kein perfekter Kandidat
Immer wieder höre ich Christen, die sich darüber beschweren, dass keiner der Kandidaten perfekt ist. Um ehrlich zu sein wäre es auch komisch, wenn wir auf einmal einen perfekten Kandidaten hätten, da keiner von uns perfekt ist.
Wir alle sind Sünder, auch unsere Politiker. Einen perfekten Kandidaten zu erwarten ist also seit jeher utopisch. Trotzdem ist der Wunsch nach einem möglichst guten Kandidaten nachvollziehbar und gut.
Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass die wenigsten von ihnen Christen sind. Die wenigsten Politiker machen christliche Politik. Ja, manche Parteien vertreten mehr christliche Werte als andere, die CDU trägt das Prädikat „christlich“ sogar in ihrem Namen, aber keine große Partei ist eine explizit christliche Partei. Wir sollten also auch keine explizit christliche Politik von ihnen erwarten. Damit möchte ich nicht sagen, dass eine christliche Partei alles gut oder „perfekt“ machen würde, ganz im Gegenteil. Es ist aber schon schade, dass es keine explizit große, christlich Partei gibt, denn wir Christen ziehen uns viel zu oft aus den gesellschaftlichen Angelegenheiten zurück und beschweren uns nur darüber, was die anderen falsch machen. Wir vergessen zu oft, dass die Bibel eine Weltanschauung bietet, die auch die Politik beinhaltet. Es gibt also so etwas wie eine „christliche Sicht auf Politik“, sie ist nur in der Parteienlandschaft Deutschlands nicht namhaft vertreten.
2. Informieren
Politik hat sehr viel mit Informationen zu tun. Wir alle konsumieren tagtäglich Medien in diverser Form. Ob über Social Media, Nachrichtensender im TV oder Radio oder durch die klassische Zeitung: Informationen spielen in unserem Alltag eine große Rolle. Aber informieren wir uns auch über die Standpunkte der Parteien?
Der beste Weg, um das zu tun, ist es, das Wahlprogramm der Parteien selbst zu lesen. Denn dort bekommt man die ungefilterte Position der Parteien. Man sieht, welche Punkte hervorgehoben werden und welche Positionen weniger stark vertreten oder abgelehnt werden. Natürlich sind auch die Informationen über die Nachrichtensender hilfreich. Hier hört man die Dinge allerdings nur aus zweiter Hand, was dazu führen kann, dass die Darstellung nicht dieselbe Eindeutigkeit hat, wie das Parteiprogramm selbst.
3. Ideologien sehen
Die Geschichte der Politik ist ebenso eine Geschichte der Ideologien. Fast alle politischen Strömungen der Vergangenheit und Gegenwart haben einen ideologischen Ursprung. Diese politischen Ideologien sehen meist einen Urzustand, der gut und erstrebenswert ist, der aber durch eine geschichtliche Fehlentwicklung zerstört wurde. Das Ziel der Politik ist nun eine Wiederherstellung dieses Zustands durch bestimmte politische Maßnahmen. So lautet z.B. das Muster des Liberalismus:

Durch politische Maßnahmen wird die Unterdrückung überwunden und man kann zum Urzustand der individuellen Freiheit zurückkehren.
Ein solches Muster lässt sich problemlos auf zahlreiche politische Ideologien anwenden. Ob Sozialismus, Nationalismus oder Konservativismus: die Liste ist lang.
Das Problem der Ideologien ist simpel: etwas in der Schöpfung Gottes wird als Gott verehrt, in unserem Beispiel des Liberalismus ist es die Freiheit des Individuums. Gottes Platz wird also von etwas anderem eingenommen und der Platz von Geschöpf und Schöpfer wird vertauscht, was als eindeutiger Götzendienst entlarvt werden muss. Leider sind solche Ideologien in unserer Politik gang und gäbe. Als Christen brauchen wir ein Auge für diese Ideologien, wenn wir unser Kreuz auf dem Wahlzettel machen.
4. Biblische Werte und Positionen suchen
Als Christen sollen wir vielmehr nach christlichen Positionen suchen. Auch wenn es keine christlichen Parteien gibt, gibt es Parteien, die christliche Positionen vertreten. Nicht alles, was die Parteien tun, ist gut und richtig, aber trotzdem sind einige Parteien näher an den Werten der Bibel als andere.
Besonders in der heutigen Zeit gibt es Themen, die Folgen für uns als Christen haben. Mit den beiden Beispielen aus der Einleitung habe ich nur zwei genannt, auch diese Liste ist lang. Es gibt Themen, die in der heutigen Situation wichtiger sind als andere, weil manche Gesetzesvorschläge der letzten Wahlperioden Gottes Gebote mit Füßen treten und Gottes gute Schöpfung missbrauchen. Diese Themen sollten wir bei unserer Wahlentscheidung nicht außer Acht lassen.
5. Bete für die Wahlen
Gerade wenn wir über teilweise emotionale Themen, wie Politik es oft ist, reden und nachdenken, vergessen wir sehr schnell das Gebet.
So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen Bitten, Gebete, Fürbitten und Danksagungen darbringe für alle Menschen, für Könige und alle, die in hoher Stellung sind, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Gottesfurcht und Ehrbarkeit. (1.Timotheus 2,1-2)
Die Bibel lehrt uns für die Regierung zu beten. Wir sollten dafür beten, dass Gott eine gute Regierung einsetzt und uns vor bösen Herrschern bewahrt. Dass er den Frieden in unserem Land bewahrt, und dass die Politiker der Regierung in ihren Gesetzesentscheidungen nach Gott und seinem Willen fragen.
Vergiss aber auch bei all den (politischen) Turbulenzen, die unsere Zeit zu bieten hat, nicht, dass nach wie vor Gott der souveräne Herrscher der Erde ist. Erinnere dich an seine Zusage, dass er seine Kirche in allen Zeiten bewahren wird und uns Christen alles zum Guten dienen lassen wird. Dieser Trost ist größer als jeder Trost, den wir in einer „guten“ Politik jemals finden könnten.
[1] Das Thema „Widerstand gegen die Obrigkeit“ ist natürlich komplexer und der Aufruf, sich unterzuordnen hat auch seine Grenzen. Dieses Verhältnis und auch die Auslegung von Römer 13 (auch im Verhältnis zu anderen biblischen Befunden) kann in diesem Artikel allerdings nicht näher betrachtet werden.