Wenn Papa sich das Leben nimmt

von Peter Brosch
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Das ungesehene Leid direkt vor deiner Haustür

Als Christen wachsen viele von uns behütet und in relativem Wohlstand auf. Wir haben oft Eltern, die sich gut um uns kümmern, Gemeinden, in denen wir den lebendigen Christus gelehrt bekommen oder wir gehen vielleicht sogar auf eine christliche Schule. Unser Umfeld, ja sogar unser Freundeskreis besteht zumeist aus gleichgesinnten Christen, mit denen wir einen Großteil unserer Freizeit verbringen.

Schwere Not, Sünde und deren verehrende Folgen bekommen wir oft gar nicht im Alltag mit. In meinem Beruf als Kriminalkommissar bei der Polizei sieht das ganz anders aus. Jeden Tag erlebe ich schweres Leid, Not und Sünde. Ganz besonders fallen mir dabei die vielen jungen Menschen ein, die sich selber das Leben genommen haben. In diesem Jahr musste ich zu einem 31-jährigen Mann, der sich mit einem Seil auf dem Dachboden seines Hauses erhängt hatte. In solchen Fällen ist die Kriminalpolizei verpflichtet, Ermittlungen durchzuführen und sicherzustellen, wie es tatsächlich zu dem Tod der Person gekommen ist, ob also auch kein Dritter bei dem Tod nachgeholfen hat.

Nach den ganzen Arbeiten auf dem Dachboden und am Leichnam stand danach noch die Begehung der Wohnung und ein Gespräch mit den Angehörigen aus. Beim Betreten der Wohnung wurde schnell klar, dass nicht nur der Verstorbene mit seiner Frau, sondern auch ein dreijähriger Junge mit in der Wohnung lebte. Dieser war zu meinem Glück nicht in der Wohnung, sondern im Kindergarten. Trotz Berufserfahrung ist es für mich immer noch eine schlimme Sache, einem kleinen Jungen die Nachricht zu überbringen, dass sein Papa gestorben ist und nie wieder Zeit mit ihm verbringen wird.

Was sagt die Bibel dazu?

Auch die Bibel kennt den Suizid, anders aber, als heute damit umgegangen wird. Heute sterben in Deutschland jährlich ungefähr 10.000 Menschen durch Suizid.  Die häufigste Todesursache bei deutschen Männern zwischen 10 und 25 Jahren ist demnach der Suizid und nicht Krankheit oder Unfall.1 Heutzutage gibt es Suizidprävention, Suizidhotlines, aber auch von Gerichten als ethisch und rechtlich vertretbar beurteilte Sterbehilfe.

In der Bibel begehen unter anderem Abimelech (Richter 9, 50-56), Simson (Richter 16, 28-31), Saul und sein Waffenträger (1.Sam 31, 4-13) und Judas Iskariot (Matthäus 27,5) Suizid. Die Motive für den jeweiligen Suizid sind ganz unterschiedlich. Abimelech wurde in der Schlacht um die Stadt Tebez von einer Frau mit einem Mühlstein abgeworfen. Simson rächt sich, indem er viele Philister mit sich in den Tod reißt, Saul wird von Angst getrieben und Judas wird von Schuld geplagt. Keiner dieser Männer hatte ehrbare Gründe. Oftmals waren es Furcht, Scham oder Ähnliches, die sie dazu trieben. Die Bibel lehrt uns eindeutig, dass Suizid nicht richtig ist.

Betäubung oder Rettung, du hast es in der Hand!

Der Grund für den Suizid des anfangs erwähnten 31-jährigen Vaters, war ein jahrelanger Cannabis Konsum. Der Mann habe früher regelmäßig Cannabis konsumiert, jedoch bereits ein Jahr vor seinem Tod mit dem Konsum aufgehört, berichtete uns seine Frau. Der Konsum von Cannabis habe bei dem Vater Psychosen ausgelöst, welche trotz des Konsumverzichtes anhielten. Diese Psychosen führten bei dem Vater zu Wahnvorstellungen, Depressionen und schließlich zu dem Entschluss, sein noch so junges Leben vorzeitig zu beenden. Besonders Traurig ist dieser Entschluss, da der Vater die Verantwortung für seine Frau und seinen dreijährigen Sohn hatte.

In einem 15-seitigen Abschiedsbrief schilderte der Vater seine schönen Erinnerungen mit seinem Sohn. Angefangen von dem ersten Glück, ihn nach der Geburt in Händen halten zu dürfen über die ersten Schritte und das erste Mal „Papa“ sagen. Seine Freude, jeden Tag nach der Arbeit von seinem Sohn mit einem lauten: „Papa ist wieder Zuhause“ begrüßt zu werden, sei das Schönste des ganzen Tages gewesen. Er schreibt weiter, dass sein Sohn bitte das gemeinsame Autos- und Legospielen in Erinnerung behalten soll. In dem Abschiedsbrief bittet der Vater abschließend seinen Sohn um Vergebung für sein frühzeitiges Ableben. Er hätte seinen Sohn gerne aufwachsen gesehen und ihm die Dinge der Welt beigebracht, nun könne sein Sohn nur noch jährlich sein Grab besuchen.

Ein Vermächtnis der Liebe und des Schmerzes

Vergebung suchte der Vater richtig, aber an der falschen Stelle. Der Vater hatte verstanden, dass er in seinem Leben viele Fehler gemacht hat und dass er dafür Vergebung braucht. Diese Vergebung finden wir nicht bei uns selber und auch nicht bei unseren Nächsten, sondern einzig und allein bei Jesus Christus. Er war sich nicht zu schade, an unserer statt ans Kreuz zu gehen, um als Sündloser den qualvollen Tod zu sterben, der doch uns gegolten hätte.

Wenn auch du feststellen musst, dass du dich lieber betäubst oder wegrennst, anstatt dich deinen Problemen zu stellen, habe ich eine gute Nachricht für dich. Egal für welches Übel, egal für welche Sünde, wenn du an Jesus Christus als deinen Herrn und Erlöser glaubst, wirst du seine Vergebung finden und nie mehr sterben. Jesus spricht:

„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?“ Johannes 11, 25-26

Wenn du noch nicht an Jesus Christus als deinen Herrn und Erlöser glaubst, dann kehre heute um, bitte ihn um Vergebung für alle deine Sünden und glaube das Evangelium.

Seelsorge auch durch mich?

Seelsorge ist ein großes Wort. Es beschreibt eine Fürsorge für unser Wichtigstes: unsere Seele. Wie ein Arzt den Körper heilt, so heilt Seelsorge den Geist. Seelsorge kann bei uns im Alltag viele verschiedene Formen annehmen.

  1. Hinschauen. Die wichtigste Art der Seelsorge ist das Hinschauen. Es beinhaltet das aktive Sich-Öffnen für die Nöte unseres Nächsten. Wenn dein Bruder seine Aufgaben in der Gemeinde vernachlässigt, weil er Zuhause, in der Schule oder auf der Arbeit Ärger hat, schau nicht weg.
  2. Fragen.  Nur zu merken, dass dein Nächster in Not ist, hilft diesem noch nicht. Es braucht Mut, den richtigen Moment und Zeit unter vier Augen. Traue dich, deinen Bruder ernstlich zu fragen, wie es ihm geht.
  3. Zuhören. Wenn dein Bruder dir von seinen aktuellen Nöten erzählt, hör zu! Eine emotionale Verarbeitung durch das Erzählen ist wichtig und oft besser, als ein direkter Lösungsvorschlag (ich spreche hier aus neun Jahren Eheerfahrung 😉).
  1. Reden. Wenn dein Bruder sich dir gegenüber geöffnet hat, fallen dir vielleicht auch Lösungsmöglichkeiten für sein Problem ein. Vielleicht hattest du einmal ähnliche Nöte und kannst deinem Bruder erzählen, wie du damals von Gott durchgetragen wurdest. Wenn du keine Lösungsmöglichkeit parat hast, musst du dir auch keine aus der Nase ziehen, denn egal was ist, du kannst immer….
  2. Beten. Sprecht gemeinsam mit Gott. Bring ihm zunächst gemeinsam und später auch alleine die Nöte deines Bruders.
  3. Handeln. Manchmal bietet es sich an, dass du deinem Bruder direkt helfen kannst. Versuche, ihm ein paar Aufgaben abzunehmen oder hilf ihm aktiv in seinem Alltag.
  4. Bewahren. Seelsorge ist auf Vertrauen gegründet. Begegne diesem Vertrauen durch Schweigen vor anderen. Dass dein Bruder Ärger hat, braucht kein Mensch außer euch zu wissen!

Leider handelt es sich bei dem von mir geschilderten Vater nicht um einen Einzelfall. Ich habe bereits weitere junge Familienväter den Suizid über das Leben wählen sehen. Wie geht es dir bei der Geschichte? Gerne kannst du uns einen Kommentar dazu schreiben.

Hotline für Suizidprävention 0800 1110111

Fußnoten


1 https://www.kinderschutz-niedersachsen.de/aktuelles/suizid-bei-10-bis-unter-25-jaehrigen-haeufigste-todesursache

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1 Kommentar

Simon Mayer 20. Januar 2025 - 11:27

Hallo Peter,

danke für deinen Mut, mit diesem Artikel ein sehr wichtiges Thema anzusprechen, das leider nach wie vor oft wenig Raum in der Gesellschaft und meines Erachtens besonders in christlichen Kreisen bekommt!

Ich stimme dir vollkommen zu, dass Selbstmord immer falsch ist (und das nicht allein aufgrund der verheerenden Auswirkungen auf die Hinterbliebenen). Der Trend in der Gesellschaft, das nicht klar zu benennen, ist sehr beklagenswert – allein der Sprachwandel von Selbstmord hin zu Suizid spricht hier ja schon Bände. Nichtsdestotrotz hätte ich mir in deinem Artikel ein bisschen mehr Barmherzigkeit für den Vater und alle anderen Menschen gewünscht, die von Depressionen und Selbstmordgedanken geplagt sind. Du sprichst ausschließlich von der Vergebung, die der Vater aufgrund seiner Fehler nötig hatte und die allein bei Gott zu finden ist. Natürlich hatte er Vergebung nötig (wie wir alle). Aber was er ebenfalls nötig hatte, war Heilung für seine verletzte Seele.

Jeder Mensch, der beständig Drogen nimmt oder irgendwelche anderen selbstzerstörerischen Süchte aufweist, versucht mit diesen einen tiefen Schmerz in seinem Innersten zu betäuben. Meistens findet man bei genauerem Hinsehen und Zuhören eine sehr schwierige Kindheit vor. Ich würde darauf wetten, dass der 31 jährige Mann selbst keinen oder jedenfalls keinen guten, emotional präsenten Vater in seinem Leben hatte.

Der Narrativ, der leider gerade in konservativen Gemeinden oft vorherrscht, dass man einfach nur Buße tun und die Verantwortung wahrnehmen müsse, die Gott einem in der Gegenwart gegeben hat, greift zu kurz. Es ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite wartet ein liebender, himmlischer Vater darauf, dass wir ihm all unseren Schmerz bringen. Der weiß, dass wir in einer gefallenen und mit Krankheiten durchsetzten Welt leben, in der Sünde nicht eindimensional ist, sondern oft in einem multigenerationalen Netz aus Verletzungen, Traumata und zerbrochenen Beziehungen verwoben. Auf uns wartet ein Erlöser, der mit uns mitleidet und selbst das Tal der Finsternis durchschritten hat. Ein Bruder, der bereit ist, uns siebzig mal siebenmal zu vergeben, auch wenn wir noch so oft hinfallen. Und hoffentlich auch eine Glaubensgemeinschaft, in der wir statt Verurteilung heilende Zuwendung erfahren.

Ich schreibe diese Zeilen als jemand, der selbst eine schwere Depression hinter sich hat. Als jemand, den der Gedanke, dass man die Auslöschung des eigenen Lebens der Ehefrau und dem nur wenige Monate alten Sohn nicht antun kann, täglich am Leben gehalten hat. Als jemand, der acht Wochen in einer Klinik verbracht und die Abgründe, die sich da auftun, live erlebt hat. Ich kann nun zwei Dinge mit Sicherheit sagen: Erstens, wer so etwas nicht durchgemacht hat, hat nicht den Hauch einer Ahnung davon, wie es wirklich ist. Und zweitens, nichts ist in der Haltung gegenüber einem Betroffenen wichtiger als Barmherzigkeit.

Noch einmal danke für deinen Mut zu diesem Artikel und auch für deinen sicherlich oftmals sehr herausfordernden Einsatz als Polizist im Dienste unserer Gesellschaft!

Simon

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