Und es begab sich, dass er an einem Ort im Gebet war; und als er aufhörte, sprach einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte! Da sprach er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Unser Vater, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name! Dein Reich komme! Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auch auf Erden. Gib uns täglich unser nötiges Brot! Und vergib uns unsere Sünden, denn auch wir vergeben jedem, der uns etwas schuldig ist! Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen! Und er sprach zu ihnen: Wenn einer von euch einen Freund hätte und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Freund, leihe mir drei Brote, denn mein Freund ist von der Reise zu mir gekommen, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann! und jener würde von innen antworten und sagen: Mache mir keine Mühe! Die Türe ist schon verschlossen, und meine Kinder sind bei mir in der Kammer; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben! — ich sage euch: Wenn er auch nicht deswegen aufstehen und ihm etwas geben wird, weil er sein Freund ist, so wird er doch um seiner Unverschämtheit willen aufstehen und ihm geben, soviel er braucht. Und ich sage euch: Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan! Denn jeder, der bittet, empfängt; und wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird aufgetan. Welcher Vater unter euch wird seinem Sohn einen Stein geben, wenn er ihn um Brot bittet? Oder wenn [er ihn] um einen Fisch [bittet], gibt er ihm statt des Fisches eine Schlange? Oder auch wenn er um ein Ei bittet, wird er ihm einen Skorpion geben? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben versteht, wieviel mehr wird der Vater im Himmel [den] Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten!
Lukas 11,1-13
Eine Anfang diesen Jahres veröffentlichte Umfrage zeigte überraschende Ergebnisse zum Thema Gebet: Circa 51% der Briten beten. Davon beten 71% hauptsächlich für ihre Gesundheit. Viele beten auch für ihre Familien. Andere beten nur zur Not, in sogenannten Krisenzeiten. Aber das eine scheint sie zu verbinden: sie alle glauben, dass Gebet etwas bewegt und mächtig ist.
Betest du? Warum?
Die Nachfolger Jesu kommen zu ihm und fragen, ob er ihnen das Beten nicht beibringen könne. „Schau,“ sagen sie. „Johannes, dieser andere Rabbi, hat seinen Jüngern ein Gebet gegeben. Dürfen wir auch eins haben? Bringst du uns auch ein Gebet bei?“
Heutzutage kommt uns diese Frage ein wenig komisch vor. Aber damals brachten die geistlichen Lehrer ihren Nachfolgern Gebete und Lieder bei. Dadurch nahmen diese nicht nur die Lehre auf, sondern sie unterschieden sich zum Teil auch von den anderen Lehrer-Nachfolger-Gruppen. Jesus macht ihre Frage jedenfalls nichts aus. „Klar,“ meint er. „So sollt ihr beten:
„Unser Vater, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme! Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auch auf Erden. Gib uns täglich unser nötiges Brot. Und vergib uns unsere Sünden, denn auch wir vergeben jedem, der uns etwas schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“
Christen nennen dieses Gebet das ‚Vater Unser‘. Du hast es höchstwahrscheinlich auch schon mal gelernt oder gehört. Interessant, dass so viele Menschen dieses Gebet kennen, auch wenn sie sehr wenig mit dem christlichen Glauben zu tun haben. Was können wir davon lernen? Mindestens zwei Dinge: Warum und wofür wir beten sollten.
Warum wir beten sollten
Ich kenne eure Eltern nicht. Ich kann nicht für sie sprechen, geschweige denn sie verteidigen. Aber eine Sache weiß ich: Eltern und Kinder sind nicht immer enge Freunde. Für so manchen sind die Probleme einfach unüberwindbar und die Eltern-Beziehung ist eine tiefe Quelle des Schmerzes geworden. Falls du schon Mutter oder Vater bist, erkennst du wahrscheinlich schweren Herzens, wie oft du gegenüber deinen eigenen Kinder versagst. Und du bereust es. Aber im Vergleich zu unseren menschlichen Eltern ist unser Vater im Himmel radikal anders:
„Welcher Vater unter euch wird seinem Sohn einen Stein geben, wenn er ihn um Brot bittet? Oder wenn er ihn um einen Fisch bittet, gibt er ihm statt des Fisches eine Schlange? Oder auch wenn er um ein Ei bittet, wird er ihm einen Skorpion geben? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben versteht, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten!“
Gott ist ein Vater im wahrsten Sinne des Wortes. Er ist das, was es im Kern bedeutet, Vater zu sein. Er ist der Maßstab, von dem sich alle Maßstäbe ableiten. Unsere irdischen Eltern sind Kopien des Originals. Sie sind Bilder des Schöpfer-Gottes. Gottes Charakter, seine Persönlichkeit ist u.a. die des Vaters. Und genauso, wie unsere irdischen Väter es normalerweise lieben, ihren Kindern gute Dinge zu geben, genauso liebt Gott – unser größter Vater – es, seinen Kindern Besseres zu schenken.
Gott ist ein großzügiger Geber, weil er ein guter Vater ist. Nun bleibt Jesus realistisch. Irdische Väter (und Mütter) verfehlen das Ziel – und zwar ständig. Jesus sagt: „Deine Eltern sind böse!“ Sie sind sündige Menschen und tun das Falsche.
Als Kontrast erklärt Jesus, dass Gott heilig ist. Wir beten „geheiligt werde dein Name,“ denn Gott ist anders. Einzigartig. Allein König und Schöpfer des Universums. Er kann keine Sünde begehen, er macht nie das Falsche und kann kein Böses ertragen. Er ist das Gute; er ist nur gut. Und alles, was er tut, ist gut. Es gibt keinen anderen wie ihn. Keiner auf Erden regiert wie er. Er hat keine Konkurrenten. Keiner auf Erden kann besser als Gott sein, nicht mal der beste Vater oder die beste Mutter.
Gott ist also der beste und großzügigste Vater, den du dir je vorstellen kannst. Deshalb solltest du beten.
Wofür wir beten sollten
Unsere Gebete sind normalerweise wie Einkaufslisten…
„Bitte Gott, mach Tante Evas Knie wieder gut. Lass unsern Hund gut schlafen. Gib meiner Tochter Konzentration für die Schule. Lass mich bitte einen Parkplatz finden! Gib uns genug Geld für die Miete.“…und so weiter.
Wir machen nichts Falsches, wenn wir für solche Dinge beten. Gott ist ein großzügiger Vater, der es liebt, seinen Kindern gute Dinge zu schenken.
Aber merke: Jesus gibt uns kein Einkaufslisten-Gebet als Vorlage für unsere Gebete. Stattdessen verdeutlicht Jesu Gebet, wie wir uns auf Gott als Vater beziehen. Wir sind seine Kinder, die ihn für Alles brauchen. Das heißt: das Gebet ist nicht einfach etwas, das wir tun, wenn das Leben nicht gerade läuft. Das Gebet ist von Natur aus keine Nothilfetaste. Das Gebet ist mehr als eine Liste von Gesundheitsproblemen und Lebenskrisen. Das Gebet im Grunde genommen sagt: Gott, ich bin ohne Dich hilflos!
Was sind also die zwei wesentlichen Güter, für die Jesus seinen Jüngern zu beten befiehlt?
Brot und Vergebung
Brot, denn alles, was wir brauchen, um zu leben, kommt von Gott unserem Vater. Dein Taschengeld kommt letztlich nicht von deinem Nebenjob oder von deiner Omi. Dein Geld kommt von Gott. Dein Essen kommt letztlich nicht von der Schulkantine oder aus dem Supermarkt. Dein Essen kommt von Gott. Dein Leben kommt letztlich nicht von deinen Eltern. Dein Leben kommt von Gott. Du existierst und bist versorgt, weil Gott ein Vater ist, der dir das Leben gibt. Ein Vater des Lebens.
Du kannst dies entweder anerkennen. Oder du kannst so tun, als ob du es nie gehört hättest. Aber die eine oder die andere Stellungnahme wird zeigen, ob du ein wahres Kind Gottes oder nur ein Heuchler bist. Denn sich von Gott abhängig zu machen und dies durch das Gebet zum Ausdruck zu bringen zeigt, ob du Gott persönlich kennst oder nicht.
Ich kenne ein Ehepaar, das vor einigen Jahren zwei kleine Jungs adoptiert hat. Diese Adoptiveltern sind offensichtlich nicht die biologischen Eltern der Kinder. Eines Tages muss deshalb den zwei Jungs erklärt werden, dass ihre wahren Eltern irgendwer anders sind. Aber wer wird bis dahin die Rolle des wahren Vaters und der wahren Mutter übernehmen? Wem werden diese zwei Jungs vertrauen? Natürlich wird es das Ehepaar sein, das sich um sie gekümmert hat, das sie versorgt, eingekleidet und geliebt hat.
Es ist eine Sache zu wissen, dass Gott unser biologischer Vater ist, der irgendwo entfernt von uns wohnt. Aber unsere Beziehung zu ihm ist ganz anders, wenn wir auf ihn als wahren Vater vertrauen und uns von ihm abhängig machen. Ein Vater, der dich liebt und den du liebst. Der Vater, von dem du abhängig bist.
Deshalb haben wir es nötig, für ein zweites wesentliches Gut zu beten: Vergebung unserer Sünden.
Stell dir die Situation mit den zwei Jungs anders vor. Ihr biologischer Vater ist ein guter Mann und König eines entfernten Landes. Am Anfang leben die zwei Jungs bei ihrem Vater. Sie lieben ihn und er liebt sie. Natürlich werden die zwei Jungs immer größer und eines Tages sind sie groß genug, um nach ihrem eigenen Willen zu leben. Ihr Vater ist großzügig und hat ihnen alles gegeben. Die Jungs werden eines Tages als Könige von den anderen Ländern, über die er herrscht, mit ihrem Vater zusammen herrschen. Er wird ihnen Kronen geben und sie über Andere setzen. Aber der König hat einen Feind, der die Jungs misstrauisch macht. Und es dauert nicht lange, bevor die Söhne planen, ihren Vater aus dem Weg zu räumen, ihn umzubringen. Aber er findet es raus und schickt sie schweren Herzens ins Exil, weg aus seinem Land. Dort finden die Jungs viele Pseudo-Väter, die viel versprechen aber wenig halten. Adoptiveltern, die nur Hass und Bitterkeit gegen ihren wahren Vater aussprechen und die die Jungs vernachlässigen. Einmal dort, gibt es keinen Weg zurück.
Jesus sagt, dass du wie diese Jungs bist. Zwar warst du einmal Kind des Königs, deines Vaters. Nun aber bist du namenlos, erblos, vaterlos. Und warum? Weil du gegen Gott, deinen König und Vater rebellierst. Das Wort Sünde wird heutzutage oft missverstanden: Es heißt „gegen Gott zu rebellieren“. Du bist des Hochverrats angeklagt und das, obwohl du geborenes Kind des Königs bist. Das kostet dich deine Staatsbürgerschaft und schlussendlich dein Leben.
Jesus sagt aber: „Ich bin nicht gekommen, die Welt zu richten, sondern durch mich die Welt zu retten!“ Ein besserer Sohn Gottes ist gekommen. Durch ihn plante der Vater, seine anderen Kinder zurück nach Hause zu bringen. Denn durch Jesu perfektes Leben, seinen Tod und seine Auferstehung von den Toten wird die Anklage des Hochverrats aufgehoben. Er, das wahre Kind des Vaters, steht repräsentativ für seine rebellischen Geschwister ein. Sein Leben für unser Leben. Sein Exil für unsere Rückkehr nach Hause. Seine Verdammnis für unsere Begnadigung.
Jesus erzählt uns eine Geschichte über einen Mann, der spät nachts Besuch bekommt. Aber er kann seinem Freund keine Gastfreundschaft zeigen, da er nichts zum Anbieten hat: kein Brot, keinen Käse, kein Fleisch – der Kühlschrank ist leer! Also geht er zum Nachbarn und klopft schnell an seine Haustür.
„Guten Abend, Herr Schneider! Entschuldigen Sie, dass ich so spät bei Ihnen anklopfe! Aber haben Sie mal ein Stückchen Brot übrig? Ein Freund von mir ist aus der Ferne angereist und ich bin schlecht vorbereitet. Können Sie mir bitte helfen? Bitte?“
„Wissen Sie wie spät es ist?! Ich habe gerade die Kinder ins Bett gebracht und wollte auch gleich schlafen gehen. Tut mir Leid, aber gute Nacht!“ Und er macht die Tür schnell zu.
Aber der Mann klopft und klopft und klopft und klopft…bis der Nachbar keine Lust mehr hat. Er wirft die Tür auf und drückt ihm einen Laib Brot in die Hand.
Jesus meint, wir sollen wie dieser Mann sein, der nicht aufgehört hat, zu klopfen. Es geht hier nicht darum, dir Gott als deinen garstigen Nachbarn vorzustellen! Vielmehr geht es darum, dass der Mann weiterhin klopft, weil er genau weiß, dass sein Nachbar für ihn aufmachen wird. Der Mann glaubt wahrhaftig, dass nur sein Nachbar ihm aus seiner Not helfen kann.
Umso mehr brauchst du Gottes gnädige Hilfe. Alle anderen Nöte werden winzig im Vergleich zu dieser Lebensfrage. Du brauchst deinen wahren Vater und seine Vergebung. Wenn du an Gottes Tür klopfst und du fragst ihn um Vergebung, gibt er sie dir. Wenn du heute erkennst, du lebst nicht wie Gottes Kind, wie jemand, der von Gott abhängig ist, musst du nur klopfen und nachfragen. Gott wird seine Tür solchen öffnen, die ihre Not erkennen.
Dazu verspricht Gott dir, dass er selbst sich dir gibt. Er kommt nicht bloß am Wochenende zu Besuch. Er ist nicht zufrieden damit, von dir nur eine Weihnachtskarte zu bekommen. Er wird in dein Leben hineinkommen, um dein echter Vater zu sein. Der Vater wird dir seinen eigenen Geist geben – den Heiligen Geist, der Gott selber ist. Du kommst nach Hause, indem er sein Zuhause in dir aufrichtet.
Gott ist ein großzügiger Vater. Willst du sein echtes Kind sein, ihm vertrauen?