Ehemaliger oder Erstmaliger?

von Hanniel Strebel
6 Kommentare

Eigentlich fürchte ich mich etwas vor solch schwierigen Gesprächen. Sie beginnen plötzlich, ohne Vorwarnung. Meistens hat mein Gegenüber etwas von meinem christlichen Glauben erfahren. Der Gesichtsausdruck wird härter, die Züge verschlossener. Wenn ich einen Schritt nach vorne treten würde, ich bin mir sicher, er würde gleich einen Schritt zurücktreten oder sich von mir abwenden.

Wenn ich durch diesen Wendepunkt schreite und vorsichtig nachfrage, dann bricht mit großer Bitterkeit eine vergangene Lebensetappe hervor. Mein Gegenüber hat einschlägige „christliche“ Erfahrungen gemacht. Beispielsweise ein christliches Elternhaus oder eine Phase intensiver frommer Erfahrungen in der Jugendzeit.

Ich weiß schon. Du würdest diesen Text am liebsten beiseitelegen oder gar zerknüllen. Doch warte einen Moment. Verstehe ich richtig? Du hast den christlichen Glauben als Zwangsjacke deines Elternhauses erlebt, als eine Reihe ätzender Vorschriften? Oder du hast eine Zeitlang an einer Reihe von zweitklassigen Veranstaltungen teilgenommen, auf die du nun getrost verzichten kannst? Vielleicht, so denkst du, mag ein solcher Glaube für mich zwar gut sein. Für dich ist er jedoch keine Option mehr. Oder, in einem Anflug von Wehmut, erinnerst du dich an eine Freundschaft in deiner Jugendzeit zurück. Später lerntest du jedoch andere Freunde kennen und hast dich entfremdet.

Womöglich ist es sogar noch weiter gegangen. An einem Tag hast du ein kindliches Übergabegebet gesprochen, dich in einem Taufbecken einer Gemeinde, in einem See oder Bach taufen lassen. Im Nachhinein schüttelst du den Kopf und willst jetzt die Lektüre beenden. Doch nein! Du solltest dir Sorgen machen. Im Neuen Testament trieb den Schreiber eines Briefes eine solche tiefe Sorge an. Er sorgte sich um Menschen, die eine Zeitlang mit der Gemeinde mitgegangen waren und irgendwann die Gruppe verlassen hatten; die unterwegs auf dem Weg zurückblieben.

Gegen Ende des Briefes findet er deutliche Worte: „Wie viel schrecklicher wird die Bestrafung für den ausfallen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt, das Blut des Bundes verachtet, durch das er geheiligt wurde, und den Heiligen Geist verhöhnt, ohne den er Gottes Gnade nicht erkannt hätte?“ (Hebräer 10,29)

Bitte sei vorbehaltlos ehrlich. Dein Lebensweg scheint dir im Moment richtig. Er führt dich jedoch geradewegs ins Verderben. Es geht um alles: Ums ewige Leben bei Gott. Tritt das Opfer von Jesus nicht mit Füßen! Es kann sein, dass der Weg zurück zu Jesus sehr demütigend sein wird. Trotzdem lohnt er sich! Im Gleichnis von den beiden Söhnen markierte Jesus die Umkehr des jüngeren Sohnes mit dem entscheidenden Satz: „Als er zu sich selbst kam.“ (Lukas 15,17) Ich bete dafür, dass du diesen Moment erlebst. Jener Mensch hat sich seine schlimme Lage eingestanden. Bist du ein Ehemaliger? Dann werde – um Himmels willen – ein Erstmaliger! Juble eines Tages mit den Engeln über diesen schweren, aber lohnenden Entschluss. Mit einem einfachen Gebet kannst du wieder mit Jesus Kontakt aufnehmen. Sag ihm alles, was dich beschäftigt. Geh in eine christliche Gemeinde, in der du den Glauben an Jesus leben und vertiefen kannst.

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6 Kommentare

Aufsatz: Gespräche mit „Ehemaligen“ – Hanniel bloggt. 12. Dezember 2016 - 11:30

[…] sollte es ein Traktat werden. Josia – Truth for Youth hat den kurzen Artikel über meine Begegnungen mit "Ex-Christen" […]

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M.-B. Hübner 12. Dezember 2016 - 12:26

Interessant, dass du dieses Thema anspricht, lieber Hanniel. Ich habe gerade das Buch „Warum wir mündig glauben dürfen“ beendet, das sich ja aus einem ähnlichen Phänomen heraus speist, wie dieses Thema von dir. Nur ich nimmt mich wunder: Du beginnst sehr empathisch, versuchst zu verstehen, beendest das Traktat aber mit nicht mehr als einer Warnung aus dem Heb. Dazu stellen sich mir zwei Fragen: Zum einen, wie sich dieser „Ansatz“ unterscheidet von einer klassischen Evangelisation mit Höllenstrafe, wie sie bei Busch und Graham vorhanden war? Gerade der „fromme“ Hintergrund scheint mir einen gesonderten Weg zu fordern, und die Art der Argumentation im Heb (Schrift-Analogien für die wahrscheinlich jüdisch-priesterliche Zielgruppe) scheint mir gleiches zu tun. Und zum anderen, in wie weit du denkst, dass ein „Ex-Frommer“, der diese Warnungen sein ganzes Jugendleben lang gehört hat, sich davon nun besonders Ansprechen lassen sollte? Mich würde – mehr als der Text – doch sehr interessieren, was deine Gedanken und Intentionen gerade hinter der Gestaltung dieses Textes sind. Liebe Grüße, Marcus

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Hanniel 12. Dezember 2016 - 14:28

Lieber Marcus, vielen Dank für deine Rückfrage. Zunächst der Hintergrund dieses Textes. Er wurde ursprünglich als Traktat verfasst (es ist eben ein anderes „Sprechstunde bei Jesus“ unter http://www.christliche-schriften.ch/traktate-suchen.raw?task=download&view=traktate&f=20161208_122013_christliche_schrift_sprechstunde_bei_jesus.pdf erschienen). Der Einwand des Lektors war für mich verständlich: Man kann das ja nicht unbekannten Menschen verteilen!

Ich habe die letzten zwei Jahrzehnte gerade anderes Verhalten in frommen Kreisen erlebt: Fromm Sozialisierte durften sich „frohgemut entchristlichen“. Sie wurden zuweilen sogar für ihre Zweifel beglückwünscht. Man ist ja schliesslich tolerant (im Innersten wohl eher verlegen). Man liess sie überall mittun in der Gemeinde. Doch: Gehalten wurde durch dieses Verhalten aus meiner Erfahrung kein Einziger! Im Gegenteil: Es wurden Neubekehrte und schwache Gemeindeglieder verunsichert.

Gerade der Hebräerbrief ermutigt mich, die Wand des Schweigens zu durchbrechen. Ich behaupte nicht, dass mir das besonders gut gelungen wäre in diesem kurzen Text. In einigen Momenten wurde ich richtiggehend vom Schweigen der Frommen gequält: Warum sagt niemand etwas? Warum warnt sie niemand? Daher verbinde ich ein Herzensanliegen mit Klarheit. Es zerreisst mein Inneres, ich sage es unter Tränen! Es ist doch am Schluss keine soziologische, sondern eine metaphysische Angelegenheit.

Dieser Ansatz unterscheidet sich also gar nicht von Busch und Graham. Der Vergleich ehrt mich sehr. Man könnte auch gleich Edwards und Spurgeon hinzufügen. Der Hebräerbrief entfaltet ein grosses Anliegen, dass niemand zurückbleibt. Die Zielgruppe ist die unter Druck geratene Jerusalemer Gemeinde. Gerade für sie wurde die Analogie des AT-Gottesvolkes herangezogen. In diesem Geiste schrieb ich übrigens auch „Die überaus grosse Gefahr des Mitläufers“ https://hanniel.ch/2016/05/13/die-ueberaus-grosse-gefahr-des-mitlaeufers/ oder predigte vor einer ganz gemischten Gruppe „Wer ist wirklich glücklich zu nennen?“ https://hanniel.ch/2015/07/18/predigt-wer-ist-wirklich-gluecklich-zu-nennen/

Der Nachteil dieses Beitrags liegt wohl darin, dass ich es unterlassen habe, über den Hintergrund zu informieren. Zum Anliegen stehe ich jedoch hundertprozentig. Es geht schliesslich um Tod und Leben!

Herzlich, Hanniel

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Reformierter Spiegel #56 – Timotheus Magazin 12. Dezember 2016 - 17:08

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