Einheit durch Vielfalt bis zur Vollkommenheit – Predigt zu Eph 4,1-16

von Simon Mayer
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Wie geschieht Gemeindewachstum? Und damit meine ich in erster Line nicht zahlenmäßiges Wachstum, sondern geistliches Wachstum. Wie geschieht es, dass Gemeinden immer mehr zusammenwachsen? Dass sie sich durch immer mehr Einheit und Liebe untereinander auszeichnen? Wie geschieht es, dass die einzelnen Gläubigen zu mündigen, reifen Christen heranwachsen? Wie gelingt ein Zusammenwachsen auch über mehrere Denominationen hinweg? Wie gelingt es, dass der gesamte Leib Christi immer mehr hineinwächst in die Vollkommenheit?

Die Bibel liefert uns zu diesen Fragen eine ausführliche Antwort:

„So ermahne ich euch nun, ich, der Gebundene im Herrn, dass ihr der Berufung würdig wandelt, zu der ihr berufen worden seid, indem ihr mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe ertragt und eifrig bemüht seid, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens: Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, über allen und durch alle und in euch allen. Jedem einzelnen von uns aber ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe des Christus. Darum heißt es: »Er ist emporgestiegen zur Höhe, hat Gefangene weggeführt und den Menschen Gaben gegeben«. Das [Wort] aber: »Er ist hinaufgestiegen«, was bedeutet es anderes, als dass er auch zuvor hinabgestiegen ist zu den Niederungen der Erde? Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfülle. Und Er hat etliche als Apostel gegeben, etliche als Propheten, etliche als Evangelisten, etliche als Hirten und Lehrer, zur Zurüstung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes des Christus, bis wir alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zur vollkommenen Mannesreife, zum Maß der vollen Größe des Christus; damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch das betrügerische Spiel der Menschen, durch die Schlauheit, mit der sie zum Irrtum verführen, sondern, wahrhaftig in der Liebe, heranwachsen in allen Stücken zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus. Von ihm aus vollbringt der ganze Leib, zusammengefügt und verbunden durch alle Gelenke, die einander Handreichung tun nach dem Maß der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Gliedes, das Wachstum des Leibes zur Auferbauung seiner selbst in Liebe“

Eph 4,1-16

Bewahrt die Einheit, die Gott gestiftet hat … (V.1-6)

Der Anfang von Kapitel 4 markiert einen Wendepunkt im Epheserbrief. Drei Kapitel lang hat Paulus sehr tiefgründige Lehrthemen behandelt. Er hat aufgezeigt, was Gott Großartiges im Leben der Epheser, ja im Leben aller Gläubigen, in der gesamten weltweiten Gemeinde getan hat.

Wandelt eurer Berufung würdig!

Und nun kommt er ausgehend von diesen Lehrthemen zu der praktischen Anwendung. Er geht dazu über zu erklären, welche Auswirkungen das Wissen über Gottes gnädiges Handeln in unserem Leben haben sollte: So ermahne ich euch nun, ich, der Gebundene im Herrn, dass ihr der Berufung würdig wandelt, zu der ihr berufen worden seid“ (V. 1). Mit anderen Worten: Wir sollen so leben, wie es der großen Gnade, die Gott uns erwiesen hat – und von der Paulus in den ersten Kapiteln spricht – würdig ist. Denn Gott hat etwas für euch und in euch vollbracht, sagt Paulus. Er hat euch zu etwas gemacht. Er hat euch „vorherbestimmt zur Sohnschaft für sich selbst durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade, mit der er uns begnadigt hat in dem Geliebten.“ Und nun lebt in Übereinstimmung mit dem, was Gott in eurem Leben vollbracht hat. Lebt eurer Berufung würdig.

Bewahrt die Einheit!

Was aber heißt das genau? Nun, das erste große Thema, das Paulus im Folgenden behandelt, ist die Einheit, die wir als Christen bewahren sollten. Wir sollen keine Einheit herstellen, sondern wir sollen die Einheit bewahren, die Gott unter uns hergestellt hat. Und genau diese Einheit war das große Thema in Epheser 1 bis 3: die Einheit jedes einzelnen Gläubigen mit Christus und die Einheit untereinander als Geschwister.

Durch Christus sind wir wieder mit Gott vereint. Wir haben einzig und allein durch Jesus Christus Zugang zu Gottes Gegenwart. Nur weil Christus für uns gestorben ist, sind wir mit ihm vereint und können die Gemeinschaft mit Gott genießen. Das ist eine ganz individuelle Sache, die für jeden einzelnen von uns gilt, aber nicht allein das: Sie gilt auch für uns als Gesamtheit der Gläubigen.

Doch durch Christus sind wir auch untereinander vereint – als ein Leib, bestehend aus Juden und Heiden! Denn es war Gottes großer Plan „alles unter einem Haupt zusammenzufassen in dem Christus, sowohl was im Himmel als auch was auf Erden ist“ (Eph 1,10). Und so haben wir in ihm „die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Übertretungen nach dem Reichtum seiner Gnade“ (1,7).

In Christus hat Gott „aus beiden (Juden und Heiden) eins gemacht und die Scheidewand des Zaunes abgebrochen, indem er in seinem Fleisch die Feindschaft, das Gesetz der Gebote in Satzungen, hinwegtat, um die zwei in sich selbst zu einem neuen Menschen zu schaffen und Frieden zu stiften, und um die beiden in einem Leib mit Gott zu versöhnen durch das Kreuz, nachdem er durch dasselbe die Feindschaft getötet hatte. Und er kam und verkündigte Frieden euch, den Fernen, und den Nahen; denn durch ihn haben wir beide den Zutritt zu dem Vater in einem Geist“ (Eph 2,14-18). Nun sind auch „die Heiden Miterben und mit zum Leib Gehörige und Mitteilhaber seiner Verheißung in Christus durch das Evangelium“ (3,6).

Ertragt einander in Liebe!

Und diese großartige Wahrheit bringt Paulus nun zur Anwendung! Er sagt, dass sich diese gottgeschaffene Realität auch in unserem Leben zeigen muss, „indem ihr mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe ertragt … durch das Band des Friedens“ (V.2-3).

Paulus ist aber kein blinder Optimist. Trotz der Einheit in Christus, sind wir nach wir vor Menschen mit Ecken und Kanten, die das Potenzial haben, sich hart aneinander zu reiben. Es gibt immer noch Sünde in unserem Leben, noch immer haben wir sündige Gedanken, sagen falsche Worte und verüben schlechte Taten. Wenn wir die Einheit bewahren wollen, wird dies nur dann möglich sein, wenn wir demütig, geduldig und sanftmütig mit unseren Glaubensgeschwistern umgehen und sie in Liebe ertragen.

Was kann uns zu diesem manchmal schweren Schritt motivieren? Die Antwort ist: Das Wissen, dass Jesus Christus in derselben Weise mit uns umgegangen ist! Er wurde Mensch, hat sich selbst gedemütigt, lebte mitten unter Sündern und obwohl er selbst vollkommen ohne Sünde war hat Er die Sünder geliebt und sie ertragen. Jedem Gläubigen begegnet Er auch heute voller Sanftmut und bringt uns unendlich viel Geduld und Liebe entgegen. Obwohl wir Ihn abgelehnt, Ihn verhöhnt und verspottet hatten, obwohl unsere Sünde gegen seine Ehre verstieß, ging Er für uns ans Kreuz, um uns mit sich selbst zu versöhnen und uns ewiges Leben zu erkaufen. So groß war Christi Liebe für uns, so weit ist Er für uns gegangen! So sehr hat Er uns ertragen. Dementsprechend sollen wir genauso gegenüber unseren Geschwistern handeln.

Seid eifrig bemüht!

Doch Paulus weiß, dass dies nicht so einfach geschieht. Daher fügt er in Vers 3 hinzu, dass wir eifrig bemüht sein sollen, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens. „Seid darum bemüht“, sagt er. Seid voller Eifer! Bemüht euch! Setzt alles daran, diese Einheit zu bewahren! Denn Gott selbst hat sie hergestellt, und wir sollten es nicht wagen, sie auf irgendeine Art und Weise wieder zu zerstören.

Ich empfinde diesen Text als sehr starke Ermutigung und zugleich große Herausforderung. Er erinnert mich an die Worte meines guten Freundes Jochen, der in einer (übrigens sehr zu empfehlenden) Predigt einmal sinngemäß sagte: „Mit jedem Christen – selbst mit demjenigen der so komplett anders ist als du – der nicht dein Alter hat, nicht deine Interessen teilt, mit dem du nach wenigen Sätzen über das Wetter nicht mehr weißt, was du noch reden sollst, oder der dir generell unsympathisch ist – verbindet dich tausend mal mehr, als mit deinem allerbesten Freund, mit dem du alles teilst – alles außer deinen Glauben!“

Weil dies wahr ist, weil es stimmt, dass wir als Christen untereinander durch Christi Blut untrennbar miteinander verbunden sind, dass wir eine Ewigkeit lang gemeinsam vor Gottes Thron stehen und Ihn für seine Gnade preisen werden, deshalb sollten wir alles daran setzen diese Einheit schon hier auf Erden zu bewahren. Wir sollten alles daran setzen, jede noch so kleine Streitigkeit, die zwischen uns und einem Bruder oder einer Schwester steht, auszuräumen. Wir sollten eifrig darum bemüht sein, mit jedem Christen Frieden zu halten. Wenn es etwas in deinem Leben gibt, das zwischen dir und einem anderen Christen steht, dann gehe hin und kläre diese Sache mit ihm. Strebe nach Versöhnung „und vergebt einander, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus“ (Eph 4,32).

Denn machen wir uns nichts vor: Frieden und Einheit werden nicht einfach so passieren, sie müssen kultiviert werden. Das gilt für eine Ehe genauso wie in der Familie, genauso wie auf der Arbeit und nicht zuletzt in der Gemeinde! Lasst uns eifrig darum bemüht sein, die Einheit zu bewahren, die Gott geschaffen hat.

Weil Gott eins ist!

Warum liegt Gott aber so viel daran, dass wir als weltweite Gemeinde, als sein Leib, die Einheit bewahren? Der tiefste Grund dafür liegt in dem Wesen unseres großen Gottes verborgen. Denn wir glauben an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wir glauben, dass sie drei Personen sind, aber eben ein Gott – drei-ein-ig! Da wir als Gemeinde Gottes Herrlichkeit widerspiegeln, sind wir dazu berufen so eins zu sein, wie auch Er eins ist.

Genau das ist das Argument, das Paulus in den nächsten Versen aufgreift: „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, über allen und durch alle und in euch allen“ (Eph 4,4-6).

Paulus spricht hier von dem Geist, von dem Herrn und von Gott dem Vater; er redet von allen drei Personen Gottes und er verknüpft alle drei mit unserem christlichen Glauben: Es ist ein Geist, durch den wir als Gläubige alle mit ein und derselben Taufe in den Leib Christi hineingetauft worden sind; Jesus ist unser aller Herr, und seitdem wir mit ihm verbunden sind, verbindet uns auch dieselbe Hoffnung auf die zukünftige Herrlichkeit; und zuletzt: Wir sind alle Teil der gleichen göttlichen Familie, denn Gott ist unser aller Vater! Er sorgt für uns, Er ist derjenige, der über uns steht und der unser aller Leben in der Hand hat. Wir sind seine Kinder!

Letztendlich ist das die Grundlage der Einheit in der wir leben und die wir durch das Band des Friedens und durch die Liebe bewahren sollen.

…durch die vielfältigen Gaben, die er uns geschenkt hat… (V.7-12)

Nach diesem Vers wechselt Paulus seine Perspektive und schwenkt um, von dem gesamten Leib auf den einzelnen Gläubigen. Und er betont die vielfältigen Gaben, die Gott uns geschenkt hat.

Der Gedankengang, den wir hier nachvollziehen müssen ist folgender: Gott hat uns verschiedenartig geschaffen und hat uns vielfältig begabt, um uns in unserer Einheit zu stärken. Auch wenn dieser Aspekt auf den ersten Blick widersprüchlich klingen mag, ist es genau das, worauf Paulus letztendlich hinaus will; denn die Gaben, die Gott uns gegeben hat, hat Er uns zu dem Zweck gegeben, dass wir einander dienen. Und indem wir einander dienen, wird der ganze Leib mehr und mehr auferbaut und die Einheit gestärkt.

Jeder hat eine Gabe!

Als erstes betont Paulus, dass jedem von uns in unterschiedlichem Maß von Christus Gnadengaben zugeteilt wurden: „Jedem einzelnen von uns aber ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe des Christus“ (V. 7). „Jedem einzelnen von uns“ – diesen Ausdruck müssen wir verinnerlichen.

Jeder hat eine Gabe! Es gibt keinen Gläubigen, der von Christus unbegabt geblieben wäre. Jeder kann und jeder soll sich einbringen und dienen. Nicht jeder hat die gleiche Gabe und nicht jeder soll den gleichen Dienst tun. Aber jeder hat eine Gabe und jeder soll mit dieser Gabe dienen.

Lass mich dir an dieser Stelle deshalb Mut machen: Christus hat dir ganz persönlich eine Gabe zugeteilt. Und er hat dies nicht ohne Grund getan, sondern Er hat damit ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt, in dem Wissen, dass seine Gemeinde auf deine gottgegebene Gabe angewiesen ist. Du bist von Gott begabt. Und es ist sein Wille, dass du deine Gabe nutzt, um die Gemeinde mitzubauen.

Lasst uns in Hinblick darauf eine Kultur entwickeln, in der wir uns gemeinsam herausfordern, diese Gaben zu nutzen. Ermutigen wir uns gegenseitig, die offensichtlichen Gaben, die Gott uns geschenkt hat, zu seiner Ehre zu nutzen! Wann hast du zum letzten Mal jemanden auf seine Gaben aufmerksam gemacht und ihn dazu angespornt, diese Gaben zur Erbauung der Gemeinde zu gebrauchen? Wann hast du Gott das letzte Mal für die Gaben der Gläubigen in deiner Ortsgemeinde gedankt?

Jeder hat eine Gabe. Wir müssen das hier unbedingt festhalten, weil wir später sehen werden, dass Paulus bestimmte Gaben oder Ämter noch einmal besonders betont. Aber das heißt nicht, dass nur diese genannten Gaben existieren, und es heißt auch nicht, dass es die einzig wichtigen Gaben sind. Jedem einzelnen Gläubigen hat Christus Gnadengaben zugeteilt, und das nach seinem Maß!

Empfangen vom auferstandenen Christus!

Um das zu bekräftigen, benutzt Paulus ein alttestamentliches Zitat: „Darum heißt es: ‚Er ist emporgestiegen zur Höhe, hat Gefangene weggeführt und den Menschen Gaben gegeben‘“ (V. 8).

Hier wird deutlich, dass uns die Gaben von dem auferstandenen Christus zugeteilt wurden. Es ist wie bei einem siegreichen Kriegsherrn, der fette Beute gemacht hat und nun heimkehrt. Im Schlepptau hat er tausende Kriegsgefangene und Schätze ohne Ende. Als er Zuhause ankommt, jubeln ihm die Leute zu. Und in seiner Großzügigkeit teilt der Kriegsherr seinen Schatz mit all diesen Leuten.

Dieses Bild kann auf Christus bezogen werden: Er ist am Kreuz von Golgatha gestorben; doch Er blieb nicht tot, sondern wurde von den Toten auferweckt und hat so den Sieg über die Sünde und den Tod errungen. Daraufhin ist Er in den Himmel aufgefahren, ist in seine Heimat zurückgekehrt und hat seine Reichtümer großzügig unter seinem Volk verteilt (vgl. Eph 1,3-7). Er hat jedem seiner Erlösten etwas von seinem Reichtum abgetreten. Keiner von ihnen ist mit leeren Händen nach Hause gegangen. Über diese wunderbare Wahrheit denkt Paulus nach und er kann nicht anders, als darüber zu staunen, wie sehr Christus sich zuerst selber erniedrigen und zum Diener aller werden musste, bevor Er als der erfolgreiche Kriegsherr in den Himmel auffahren durfte: „Das [Wort] aber: ‚Er ist hinaufgestiegen‘, was bedeutet es anderes, als dass er auch zuvor hinabgestiegen ist zu den Niederungen der Erde? Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfülle“ (V. 9-10).

Der gleiche König, der uns diese wunderbaren Gaben gegeben hat und nun zur Rechten Gottes sitzt, ist vorher zum Diener aller geworden. Und Paulus betont diesen Aspekt hier nicht umsonst; denn auch wir sollen mit den Gaben, die wir bekommen haben, nicht herrschen, sondern dienen.

Was sind aber diese Gaben, die Paulus hier nennt? Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass diese Liste nicht vollständig ist, dass es mehr Gaben als die hier erwähnten gibt (vgl. z.B. Röm 12,3-8). Aber hier, in seinem Brief an die Epheser, schreibt Paulus: „Und er hat etliche als Apostel gegeben, etliche als Propheten, etliche als Evangelisten, etliche als Hirten und Lehrer“, und es wird deutlich, dass Paulus eine besondere Betonung auf die Ämter legt, die für die Verkündigung des Wortes Gottes verantwortlich sind.

Die Apostel und Propheten waren diejenigen, die Gottes Worte direkt von Ihm selbst empfingen und weitergaben. Ihre Lehren wurden für uns in schriftlicher Form in der Bibel festgehalten, auf ihren Lehren sind wir als Gemeinde Jesu gegründet und von ihren Lehren dürfen wir niemals abweichen.

Die Evangelisten sind diejenigen, die diese Botschaft der Apostel und Propheten weitertragen zu Menschen, die bisher noch nie davon gehört haben. Sie sorgen dafür, dass Menschen die frohe Botschaft der Erlösung durch den Glauben an Jesus hören und hoffentlich – wenn Gott Gnade schenkt – diesen rettenden Glauben bekommen.

Die Hirten und Lehrer unterweisen die bestehenden Gemeinden in Gottes Wort und seinem Ratschluss. Sie weiden die Gemeinde, indem sie ihnen immer und immer wieder das Wort Gottes einprägen, sodass die Gläubigen in ihrer Erkenntnis wachsen.

Damit alle dienen können!

Warum aber räumt Paulus hier diesen Ämtern eine so große Bedeutung ein? Paulus selbst gibt uns die Antwort darauf: „zur Zurüstung der Heiligen für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes Christi“ (V. 12). Nur durch die beständige Weitergabe von Gottes Wort kann die nötige Zurüstung und Auferbauung der Christen stattfinden, sodass wiederum jeder einzelne in der Lage ist, anderen zu dienen und an der gesamten Erbauung des Leibes teilzuhaben.

Das eigentliche Ziel ist also nicht die Weitergabe des Wortes an sich, sondern dass durch die Weitergabe des Wortes der ganze Leib erbaut wird, indem jeder Gläubige dazu ausgerüstet ist, den entsprechenden Dienst mit den Gaben, die er von Christus verliehen bekommen hat, auszuführen! Das schaffen wir aber nur dann, wenn wir beständig die Weitergabe von Gottes Wort im Fokus haben und uns der völligen Abhängigkeit von seiner Gnade bewusst sind!

Dieses Ziel kann zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass man ein Gemeindemitglied durch einen Bibelvers ermutigt oder wo nötig auch ermahnt. Oder es kann geschehen, indem man sich regelmäßig mit einem jüngeren Gemeindemitglied trifft, um mit ihm gemeinsam die Bibel zu lesen und sich darüber auszutauschen. Es kann auch dort passieren, wo man den Kleinsten in der Sonntagsschule von der Treue Gottes erzählt oder wo man ein krankes Gemeindemitglied besucht, um ihm aus der Bibel vorzulesen. Es gibt viele Möglichkeiten das Wort Christi „reichlich unter uns wohnen“ (vgl. Kol 3,16) zu lassen, mit dem Ziel, einander zu dienen und den Leib Christi zu erbauen.

… damit wir gemeinsam zur vollen Reife gelangen (V.13-16)

So wie ein kleines Kind wächst und wächst und immer größer wird, so sollen auch wir immer mehr wachsen bis hin zur vollkommenen Mannesreife. Entscheidend ist jedoch: Wir sollen als gesamter Leib wachsen. Ein Säugling, bei dem nur der linke Fuß oder die rechte Hand oder der Kopf wachsen würde, während der Rest zurückbleibt, wäre krank. Bei einem gesunden Kind wachsen alle Glieder gemeinsam in den richtigen Proportionen, so dass der ganze Leib heranwächst und sich aus dem winzigen Baby ein erwachsener Mensch entwickelt.

Dasselbe trifft auf die Gemeinde – den Leib Christi – zu. Gemeinsam sollen und wollen wir immer mehr in der Erkenntnis Christi wachsen. Er selbst ist der Maßstab, dem wir uns annähern wollen. Wir wollen Ihm immer ähnlicher sein, Ihm immer mehr gleichen. Paulus schreibt deshalb in diesen Versen auch von der „vollen Reife“ – in anderen Übersetzungen heißt es „zum vollen Maß der Fülle Christi“. Und genau darum geht es: Christus ist die Fülle und wir sollen immer mehr in diese Fülle hineinwachsen.

Wie wir nicht sein sollen

Das wird uns wiederum helfen, nicht so zu sein, wie Paulus in Vers 14 schreibt: „Damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch das betrügerische Spiel der Menschen, durch die Schlauheit, mit der sie zum Irrtum verführen.“

Hier haben wir also eine Beschreibung, wie wir nicht sein sollen. Wir sollen nicht sein wie ein kleines Boot, das auf hoher See umhertreibt und hoffnungslos Wind und Wellen ausgeliefert ist. Es gibt solche Christen, die sich sehr schnell verunsichern lassen darüber, was die Wahrheit ist, und die sich leicht durch falsche Lehren beeinflussen lassen. So sollen wir nicht sein!

Wie wir sein sollen

Stattdessen sollen wir dem Bild entsprechen, das uns Paulus in Vers 15 vorgibt: „Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe.“ Wir sollten als mündige, stabile Christen von zwei Dingen gekennzeichnet sein: Von Wahrhaftigkeit (oder Wahrheit) und Liebe; denn diese beiden Dinge gehören immer zusammen. Echte Liebe ist immer gekennzeichnet von Wahrheit. Wenn du einen Menschen liebst, dann wirst du ihm die Wahrheit sagen – auch dann, wenn sie unangenehm ist. Auf der anderen Seite sollte eine immer größere Erkenntnis der Wahrheit auch zu einer immer größeren Liebe führen. Diese beiden Dinge gehen Hand in Hand.

Lasst uns als Glieder am Leib Christi daher an dem biblischen Bekenntnis des Glaubens festhalten und anderen Menschen – vor allem anderen Christen – im Blick auf diese lebenswichtige Wahrheit in Liebe begegnen.

Wie Wachstum geschieht

Wir sollen also immer mehr als gesamter Leib zur Vollkommenheit heranwachsen. Nur wie genau passiert jetzt dieses Wachstum? Mit dieser Fragestellung hatte ich begonnen. Und der Text gibt uns abschließend noch einmal eine sehr klare Antwort darauf: „Lasst uns aber … heranwachsen in allen Stücken zu ihm hin, der das Haupt ist, Christus. Von ihm aus vollbringt der ganze Leib, zusammengefügt und verbunden durch alle Gelenke, die einander unterstützen nach dem Maß der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Gliedes, das Wachstum des Leibes zur Auferbauung seiner selbst in Liebe.“ (V. 15-16).

Zwei Dinge werden in diesem Text deutlich:

1.) Paulus sagt, dass das Wachstum nur von Christus aus geschehen kann – wir sind vollkommen abhängig von Ihm! Das bedeutet: Wir müssen in Christus bleiben, um überhaupt wachsen zu können. Ohne Ihn oder getrennt von Ihm werden wir niemals auch nur ein bisschen wachsen. Wir müssen daher den Fokus auf Christus behalten, wir müssen Ihn ins Zentrum aller Dinge stellen, wenn wir wachsen wollen.

2.) Dennoch schreibt Paulus, dass der ganze Leib sich selbst auferbaut. Dies wird besonders dann deutlich, wenn wir den Anfang und das Ende von Vers 16 zusammensetzen: „Von ihm aus vollbringt der ganze Leib … das Wachstum des Leibes zur Auferbauung seiner selbst in Liebe.“ Das finde ich erstaunlich: Der Leib erbaut sich selbst! Das Wachstum der Gemeinde geschieht allein in der Abhängigkeit von Christus, aber dennoch nicht unabhängig von der Gemeinde selbst. Mit anderen Worten: Gott bewirkt das Wachstum, aber Er bewirkt es durch die Gemeinde! Er bewirkt es durch uns! Und zwar durch jeden von uns! Der Leib wächst durch den Leib! Ist das nicht genial? Dadurch, dass wir einander dienen – in der Vielfalt der Gaben, die Gott uns gegeben hat – werden wir immer mehr zu einer Einheit, wir werden immer mehr Christus erkennen und durch diese Erkenntnis Seine Herrlichkeit widerspiegeln.

Natürlich wird dieser Prozess hier auf der Erde niemals abgeschlossen sein. Aber es wird der Tag kommen, an dem wir „als eine Gemeinde, die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern die heilig und untadelig sei“ (Eph 5,27) vor unserem Herrn Jesus Christus stehen und Ihn so sehen, wie Er ist (vgl. 1. Joh 3,2).

Wir haben gesehen, dass Gott eine wunderbare Einheit unter uns als Geschwistern gestiftet hat und dass wir diese Einheit bewahren sollen.

Wir haben gesehen, dass dies gerade durch die vielfältigen Gaben möglich ist, die Gott uns geschenkt hat, und dass die Weitergabe von Gottes Wort bei der Erbauung des gesamten Leibes eine Schlüsselrolle spielt.

Und wir haben gesehen, dass das Ziel eine vollkommene Reife ist, die sich in wahrhaftiger Liebe widerspiegelt. Diese Reife wird erst im Himmel wirklich in ihrer Vollendung erreicht sein, aber Gott nutzt uns schon auf dieser Erde, um diesem Ziel Stück für Stück näher zu kommen. Er kann und wird wunderbare Dinge im Leben vieler Menschen vollbringen, wenn wir Gott in unserer Vielfalt dienen, die Einheit des Leibes Christi bewahren und seine Erbauung fördern bis hin zur Vollkommenheit.

Amen.

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Reformierter Spiegel #42 | 14. August 2016 - 11:25

[…] Einheit durch Vielfalt bis zur Vollkommenheit […]

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