Jerobeam: Weichenstellung aus Angst

von Hanniel Strebel
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Verlierer im übrigen Leben

Ashley Null hat zwei spannende Berufe: Er ist Kirchenhistoriker und Sportseelsorger. Aus der einen Welt schöpft er für die andere. In seinem Buch „Real Joy: Freedom to be Your Best“ (Hänssler: Holzgerlingen, 2004), das anlässlich der Leichtathletik-WM 2004 veröffentlicht wurde, schreibt er über den Werdegang von jungen Sporttalenten. Manche von ihnen brennen aus, lange bevor sie ihr volles Potenzial erreicht haben. Der Grundstein für ihre Laufbahn wird mit Siegen im Kindesalter gelegt. Sobald sie die Vorteile des Gewinnens kennengelernt haben, wissen sie, dass diese Privilegien nur so lange zu geniessen sind, wie man Gewinner bleibt. Dadurch nimmt der Druck zu. Man muss sich auf sich selbst konzentrieren. Ebenfalls ist einem bewusst, dass andere nicht glücklich über den eigenen Erfolg sein können. Irgendwann kommt der Tag, an dem man wieder verliert. Der Selbsthass nach der Niederlage treibt an, noch härter an sich zu arbeiten, um wieder auf die Gewinnerseite zu kommen. Dies wiederum führt zu einer starken Ambivalenz, die jemand so auf den Punkt gebracht hat: „Ich hasse mein Leben, aber ich liebe meinen Lebensstil.“ Um Linderung (besser gesagt, Betäubung) zu erfahren, verfallen solche Sportler gerne dem Alkohol. Von ihren engsten Angehörigen erwarten sie, dass diese Verständnis für den steten Vorrang des Trainings aufbringen. Sie bringen jedoch kaum Energie für Beziehungen auf. Emotionale Nähe wird für den Preis des Erfolgs geopfert. Statt lang andauernden Freundschaften muss man sich mit One-Night-Stands zufriedengeben. Manche Gewinner im Sport sind darum Verlierer im (übrigen) Leben.

Wir beschäftigen uns mit der Geschichte eines Nachwuchstalents aus dem Alten Testaments. Bevor wir uns jedoch eine Zeigefingermentalität zulegen, rufen wir uns ins Gedächtnis: Die Geschichte von Gottes Volk im AT ist uns zur Warnung und zum Ansporn geschrieben. Gleichzeitig bereiten sämtliche Protagonisten die Bühne für den Messias vor. Gerade das Leben Jerobeams lässt uns Ausschau halten nach einem Retter!

Ich betrachte die Geschichte Jerobeams in drei Schritten:

  1. Jerobeam als begabter Widersacher: Begabung ohne Gottesfurcht führt ins Abseits.
  2. Jerobeam als pragmatischer Führer: Wer sich von eigenen Ängsten steuern lässt, verstrickt sich in Sünde.
  3. Jerobeam als uneinsichtiger Verlierer: Wer Rotampeln überfährt, wird verhärtet.

Ein begabter Widersacher: Begabung ohne Gottesfurcht führt ins Abseits

Etwa 40 Jahre zuvor hatte Salomo einen kraftvollen Start in seine Herrschaft hingelegt. Er bekannte vor dem Allmächtigen seine Überforderung und wurde mit Weisheit und Reichtum gesegnet. Salomo baute den Tempel des Herrn und verbesserte im Übrigen die Infrastruktur des ganzen Landes. Er erreichte durch zahlreiche Bündnisse mit den Nachbarstaaten politische Stabilität. Doch je länger seine Herrschaft dauerte, warf sie ihre Schattenseiten: Die Abgabenlast stieg markant an. Was ungleich schwerer wog, war der Import von zahlreichen Göttern, die Salomo durch die Verschwägerung mit den ausländischen Bündnispartnern importierte. Deshalb erweckte ihm Gott Widersacher. Einer davon war Jerobeam. Die Geschichte Jerobeams wird so eingeleitet:

Auch Jerobeam, der Sohn Nebats, ein Ephratiter von Zareda, ein Knecht Salomos, dessen Mutter, eine Witwe, Zeruha hieß, erhob die Hand gegen den König. … Nun war Jerobeam ein tüchtiger Mann; und als Salomo sah, dass der junge Mann eifrig bei der Arbeit war, setzte er ihn über alle Lastträger des Hauses Joseph.

1Kön 11,26+28

In dieser Rahmung erfahren wir mehrere Dinge: Jerobeam war ein Ephratiter, also aus dem Stamm Ephraim. Dieser Stamm erhob seit jeher einen Führungsanspruch. (Man muss sich nur einmal den Jakobssegen in 1. Mose 49 oder den Moses-Segen in 5. Mose 33 näher anschauen.) Jerobeam war Sohn einer Witwe. Das könnte darauf hindeuten, dass er schon früh Verantwortung übernehmen und sich durchschlagen musste. Weiter fiel er durch seine Führungsbegabung auf. Die Talentscouts Salomos hatten ihn schnell ausfindig gemacht. Als nächstes werden die Umstände beschrieben, unter denen Jerobeam zur Herrschaft berufen wurde.

Es geschah aber zu jener Zeit, als Jerobeam aus Jerusalem wegging, da fand ihn der Prophet Achija von Silo auf dem Weg. … Aber ich will das Königreich aus der Hand seines Sohnes nehmen und es dir geben, die zehn Stämme.

11,29+35

Stellen Sie sich dies vor! Da läuft der Mann routinemässig von einer Besprechung aus Jerusalem weg. Auf dem Weg begegnet ihm ein Prophet und kündigt ihm die Herrschaft über zehn Stämme an. Gottes Volk war seit der Richterzeit innerlich gespalten. Schon bei Gideon und Jephta reklamierte Ephraim seinen Führungsanspruch (Richter 8+11). David herrschte die ersten sieben Jahre nur über den Stamm Juda. Jetzt kündigte Gott die definitive Trennung als Strafgericht für den Ungehorsam Salomos an. Der Prophet Abija verspach Jerobeam dauerhafte Herrschaft, wenn er sich dem Gesetz unterstellen würde:

Und es wird geschehen, wenn du nun allem gehorchst, was ich dir gebieten werde, und in meinen Wegen wandelst und tust, was in meinen Augen recht ist, so dass du meine Satzungen und meine Gebote befolgst, wie es mein Knecht David getan hat, so will ich mit dir sein und dir ein beständiges Haus bauen, wie ich es David gebaut habe, und ich will dir Israel geben!

11,38

Was für eine Aussicht! Wie reagierte Jerobeam darauf? Schlüsselmomente fördern den Charakter eines Menschen zutage. Er zeigte keinerlei geistliche Reaktion. Von Salomo auf die schwarze Liste gesetzt, floh er zur südlichen Regionalmacht Ägypten und erhielt dort politisches Asyl (11,40). Es scheint, als habe er bei späteren Amtshandlungen auf seine Erfahrungen in Ägypten zurückgegriffen.

Das tönt nicht nach einem verheissungsvollen Start. Erste Lektion: Begabung ohne Gottesfurcht führt ins Abseits. Ist alles dunkel? Nein! Wir finden im selben Abschnitt einen wichtigen heilsgeschichtlichen Hinweis:

… damit mein Knecht David allezeit vor mir eine Leuchte hat in der Stadt Jerusalem, die ich mir erwählt habe, um meinen Namen dorthin zu setzen.

11,36

In Jerobeams Leben herrschte Dunkelheit, umso heller jedoch scheint die „Leuchte Davids“ – ein Hinweis auf den wahren David, den Messias.

Ein pragmatischer Führer: Wer sich von seinen Ängsten steuern lässt, gerät auf Abwege

Ich bin allergisch auf den Begriff „pragmatisch“. In der Geschäftswelt redet man davon „pragmatisch“ zu sein, wenn man sich wetterwendisch den ständig ändernden Zielen anpasst. In 1Kön 12,25-33 wird uns geschildert, wie Jerobeam seine Herrschaft installiert hat.

Ausbau der Sicherheit

Jerobeam aber baute Sichem auf dem Bergland Ephraim aus und wohnte darin; und er zog aus von dort und baute Pnuel.

12,25

Jerobeam tat, was jeder Herrscher tut. Er baute sich einen eigenen Regierungssitz. Welche Alternativen hätte es denn gegeben? Er hätte wie Salomo Gott um Rat bitten können, den Propheten um eine göttliche Botschaft bitten oder eine Versammlung mit den weisen gottesfürchtigen Männern einberufen können. (Aus der Chronik wissen wir, dass gottesfürchtige Männer weiter nach Jerusalem zum Tempel gingen, siehe 2Chr 11,16.)

Weichenstellung aus Angst

Jerobeam aber dachte in seinem Herzen: Das Königreich wird nun wieder dem Haus Davids zufallen! Wenn dieses Volk hinaufziehen wird, um im Haus des Herrn in Jerusalem Opfer darzubringen, so wird sich das Herz dieses Volkes wieder zu ihrem Herrn wenden, zu Rehabeam, dem König von Juda; ja, sie werden mich töten und sich wieder Rehabeam, dem König von Juda, zuwenden!

12,26-27

Der Text verrät uns die Schlüsselstelle der gesamten Geschichte Jerobeam. Sie vollzieht sich im Winkel des eigenen Herzens! Leider wurden seine Selbstgespräche keine Gespräche, die er vor Gott führte so wie beispielsweise David. Jerobeams Motiv zum Handeln war die nackte Angst. Rufen wir uns in Erinnerung: Seine Prognose stand im Gegensatz zur Verheißung Gottes!

Verhängnisvolle Imitation

Aus dieser Angst heraus entstand ein Gesamtplan, der wunderbar aufzugehen schien:

Darum hielt der König Rat und machte zwei goldene Kälber und sprach zu [dem Volk]: Es ist zu viel für euch, nach Jerusalem hinaufzuziehen! Siehe, das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten herausgeführt haben! Und er stellte das eine in Bethel auf, und das andere setzte er nach Dan.

12,28-29

Er machte auch ein Höhenheiligtum und setzte aus dem ganzen Volk Leute zu Priestern ein, die nicht von den Söhnen Levis waren. Ferner ordnete Jerobeam ein Fest an, am fünfzehnten Tag des achten Monats, wie das Fest in Juda, und opferte auf dem Altar…

12,31-32

Was in Wahrheit aus Angst motiviert war, ließ sich nach außen gut tarnen. Jerobeam sagte zum Volk, er sorge sich um ihre Gesundheit bei der langen Reise nach Jerusalem. Er war sorgsam bedacht, die Nationalgeschichte Israels am Leben zu erhalten. Er installierte zwei Kälber. Das erinnert natürlich an das goldene Kalb am Berg Horeb. Vielleicht hatte Jerobeam den Prototypen in Ägypten gesehen. Die beiden Götzenfiguren stellte er an strategisch wichtigen Orten auf. Er installierte einen Götzendienst mit Ersatzpriestern und einem Ersatzfest, das um einen Monat vom Laubhüttenfest Israels verschoben war. Jerobeam orientierte sich am bisherigen Gottesdienst. So ist es noch heute: Die wirklich gefährlichen Dinge unterscheiden sich nur geringfügig! Wie hätte das Volk die Täuschung erkennen können? Dafür gab es nur einen Weg. Sie hätten das Gesetz kennen sollen.

Wegbereiter für die Entfremdung

Die Entscheidung, einen neuen Gottesdienst einzuführen, hatte Konsequenzen für die eigene Generation:

Aber diese Tat wurde [für Israel] zur Sünde; und das Volk lief zu dem einen [Kalb] bis nach Dan.

12,30

Nicht nur das, der Götzendienst ließ sich nicht mehr ausrotten. Über 200 Jahre später lässt Jehu, das götzendienerische Haus Ahabs ausrotten:

Aber von den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebats, mit denen er Israel zur Sünde verführt hatte, ließ Jehu nicht, nämlich von den goldenen Kälbern von Bethel und von Dan.

2Könige 10,29

Der hier vorher eingeführte Götzendienst ließ sich bis zur Wegführung nicht mehr austilgen. Auch hierin erkennen wir eine Parallele zu heute: Was einmal drin ist, lässt sich schlecht mehr ausmerzen.

Zweite Lektion: Wer sich von seinen eigenen Ängsten steuern lässt, verstrickt sich in Sünde.

Ein uneinsichtiger Verlierer: Wer rote Ampeln überfährt, wird verhärtet

Aber siehe, ein Mann Gottes kam von Juda durch das Wort des Herrn nach Bethel, als Jerobeam eben bei dem Altar stand, um zu räuchern. … Und es geschah, als der König das Wort des Mannes Gottes hörte, der gegen den Altar von Bethel rief, da streckte Jerobeam seine Hand aus vom Altar herab und sprach: Ergreift ihn! Da verdorrte seine Hand, die er gegen ihn ausgestreckt hatte, so dass er sie nicht wieder zu sich ziehen konnte.

13,1+5

Gott schickte Jerobeam einen Warner, denselben Propheten, der ihm die Herrschaft verheißen hatte. Jerobeam war das Führen so sehr gewohnt, dass er nicht einmal mehr merkte, wie er eine weitere rote Ampel überfuhr! Seine Herrscherhand erlahmte. Wir würden meinen, das hätte ihn zur Einsicht gebracht.

Sofortige Problemlösung statt nachhaltiger Änderung

Weit gefehlt:

Da ergriff der König das Wort und sprach zu dem Mann Gottes: Besänftige doch das Angesicht des Herrn, deines Gottes, und bitte für mich, dass meine Hand mir wiedergegeben werde!

13,6

Aber nach dieser Begebenheit kehrte Jerobeam nicht um von seinem bösen Weg, sondern er setzte wieder Höhenpriester aus dem gesamten Volk ein; wer Lust hatte, den weihte er, und der wurde Höhenpriester.

13,33

Jerobeam verhielt sich so, wie wir oft auch: Sobald sein Problem gelöst war, machte er weiter wie bisher. Der prophetische Dienst an ihm war nur Störung im Tagesablauf.

Konsequenzen für die eigene Familie und Gottes Volk

Sünde hat stets soziale Konsequenzen. Zuerst einmal hatte die Uneinsichtigkeit Jerobeams Folgen für die eigene Familie. Sein Sohn musste nämlich sterben (14,9). Darüber hinaus vernichtete Jerobeam seine eigene Linie:

Und dies wurde dem Haus Jerobeams zur Sünde, so dass es vernichtet und aus dem Land vertilgt werden musste.

13,34

Ja, es zog sogar noch weitere Kreise:

Und er wird Israel dahingeben um der Sünde Jerobeams willen, die er beging und zu der er Israel verführt hat!

14,16

Dritte Lektion: Wer geistliche rote Ampeln überfährt, wird verhärtet. Welch ein Kontrast stellt Jesus dar! Er machte sein Angesicht fest, um nach Jerusalem hinaufzugehen und zulasten seines eigenen Lebens den Kelch auszutrinken, der ihm auferlegt war (siehe Lk 9,51f). Wie dankbar können wir sein, dass er uns zugute, den Plan seines Vaters trotz Widerstand bis zum Ende ausgeführt hat!

Anregung zur Umsetzung im eigenen Leben

Der Seelsorger David Powlison schlägt sechs Schritte für Momente vor, in denen die Angst aufsteigt:

  1. Benenne, was dich bedrückt.
  2. Identifiziere, wie die Angst zum Ausdruck kommt. Gehe den Anzeichen nach. Wie zeigen sich die Ängste in deinem Leben?
  3. Frage dich: Warum bin ich ängstlich? Jede Beunruhigung hat ihre eigene innere Logik.
  4. Welchen besseren Grund gibt dir Jesus, dich nicht zu sorgen? Welche Verheissungen gibt er? Picke dir eine heraus und nimm sie dir zu Herzen.
  5. Gehe zu deinem himmlischen Vater und sprich mit ihm. Er kümmert sich auch um das, was dich belastet: Deine Freunde, deine Gesundheit, dein Geld, deine Kinder etc.
  6. Löse dich von dir selbst und wende dich jemand anderem zu. Tue und sage etwas Erbauendes. Kümmere dich um eine andere Person. Begegne einem anderen Bedürfnis. Im dunkelsten Loch und in der trübsten Zeit gibt es immer etwas Richtiges zu tun.

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Aufsatz: Jerobeam – Weichenstellung aus Angst | Hanniel bloggt. 7. Januar 2015 - 08:09

[…] josiablog ist eine überarbeitete Predigt erschienen. Sie widmet sich dem wichtigen Thema der […]

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Publikationen: Aufsätze für Josia – Truth for Youth – Hanniel bloggt. 17. April 2017 - 11:26

[…] Jerobeam: Weichenstellung aus Angst. (Dezember 2014) […]

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