Beruf(en)… zum geistlichen oder weltlichen Dienst?

von Sven Auerswald
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Mit einer viel zu langen Nase und eher kleineren Statur (und noch viel fragileren Gesundheit) war er nicht gerade ein Schönling. Aber er hatte das Leben eines Playboys: Party, Sex und Rock’n’Roll (oder dem damaligen Äquivalent). Aber im Alter von 25 Jahren wurde der Politiker William Wilberforce durch Gottes Gnade errettet. Eines Abends im Jahre 1787 schrieb er folgende unsterblichen Worte in sein Tagebuch: „Der allmächtige Gott hat mir zwei Ziele gesetzt: die Abschaffung des Sklavenhandels und die Reformation der Manieren.“[1]

Es sollte ihn 50 Jahre seines Lebens kosten, genau dieses Ziel zu erreichen. Erst wenige Tage vor seinem Tod, wurde auch der endgültige Entschluss im königlichen Parlament unterschrieben. Wenn jemand seine Berufung in dieser Welt gefunden hatte – dann bestimmt William Wilberforce, oder? Was ebenso unglaublich ist: um eine Haaresbreite wäre es nie dazu gekommen! Nachdem er zum Glauben an Jesus Christus gekommen war, wollte er sein Amt als Politiker aufgeben und sich dem geistlichen Dienst widmen (vielleicht als Pastor oder Missionar). In dem Moment ging ihm genau das durch den Kopf, was sich Millionen vor ihm – und auch nach ihm – fragen würden: Ist geistlicher Dienst besser als weltlicher? Wie hättet ihr William Wilberforce beraten? Wenn er zu euch gekommen wäre, mit dem Anliegen „Ich will Jesus nachfolgen, was soll ich machen?“ – wie hättet ihr geantwortet? Oder in anderen Worten: wie sollte William Wilberforce – wie sollten wir als Christen – unsere Berufung leben?

Deine Arbeit ist weltlich und unnütz – wirklich?

Arbeit in diese zwei Lager aufzuteilen ist nichts Neues – genau genommen schon mehrere hunderte von Jahre alt: einer der ersten, der sich dazu Gedanken machte war der Bischof von Caesarea, Eusebius, der im 4. Jahrhundert lebte[2]. Er argumentierte, dass es im Grunde zwei Wege im Leben gäbe. Der eine war der „perfekte“ (oder „vollkommene“) Weg, der sich den „geistlichen“ Dingen wie Meditation über Gottes Wort, Fasten, Gebet widmete (das war der Weg für Priester, Mönche und Nonnen). Das Gegenstück war der erlaubte (oder „gebilligte“) Weg, der sich mit den Dingen dieser Welt auseinandersetzte, mit den Banalitäten des Alltags wie Acker pflügen, Handeln, oder Kinder großziehen. Was das bedeutete: zwei Klassen von Christen, zwei Klassen von Frömmigkeit. Eusebius (und nach ihm auch Augustinus und Thomas Aquinas) unterschied nicht nur zwischen „geistlicher“ und „weltlicher“ Arbeit, sondern er priorisierte auch geistliche gegenüber weltlicher.

Deine Arbeit ist geistlich – weil Gott sie erfunden hat

Und dann kam Martin Luther, dessen Ansichten in der vorherrschenden theologischen Landschaft einschlugen wie eine Bombe. Basierend auf 1Pt 2,9 erkannte er:

„Alle Christen sind wahrhaft geistlichen Standes, und es ist unter ihnen kein Unterschied als nur um des Amtes willen.“[3]

Demzufolge sollte

„der Stand eines Priesters in der Christenheit nicht anders aufgefasst werden als der eines Amtmannes.“

Natürlich waren alle völlig von den Socken – aber sollte uns das überraschen? Luther erkannte, dass Arbeit an und für sich gut ist – weil Gott sie erfunden hat. Das trifft auf jede Arbeit zu. Als Gott den Himmel und die Erde schuf, hat er selbst mit seinen Händen im Dreck gewühlt und den Menschen aus dem Staub der Erde geformt (Gen 2,7). Somit kann körperliche Arbeit gar nicht schlechter sein als nicht-körperliche Arbeit. Somit sind Berufe, in denen man richtig anpacken muss – Bauer, Fabrikarbeiter, Reinigungskraft, Gärtner – nicht weniger ehrbar, als Berufe, in denen man weniger anpacken muss: wie Lehrer (oder Schüler), oder Anwalt, oder Arzt oder Bundeskanzlerin (obwohl unsere Angie wirklich viel aushalten muss!).

Deine Arbeit ist geistlich – wenn du sie für Jesus tust

Erinnert euch, dass (fast) alle unsere Bibelhelden richtig anpacken konnten: Petrus, Johannes und Jakobus waren Fischer. Paulus von Tarsus (wenngleich er unter Gamaliel studiert hatte), war ein Zeltmacher. Als Gott selbst in diese Welt kam, kam er als ein edler Staatsmann oder als beindruckender Philosoph? Nein, sondern als Zimmermann. Jesus konnte anpacken! Das heißt: Alle Arbeit ist gleichermaßen ehrbar. Ob körperlich, ob geistig. Übrigens auch: ob „weltlich“ oder „geistlich“. Eine Predigt zu schreiben ist vor Gott nicht weniger ehrbar als in der Gemeinde die Toilette zu putzen. Noch einmal Luther (man muss den Kerl einfach lieben):

„Ja, es kommt häufiger vor, dass ein häusliches und schlichtes Werk einer Magd oder eines Knechtes Gott wohlgefälliger ist als alle Fasten und Werke eines Ordensmannes und Priesters“[4], weil jede Arbeit, die für Jesus getan wird, ihn ehrt.

Deine Arbeit ist geistlich – denn Gott gebraucht sie zu Seiner Ehre

Gott sei Dank hatte Wilberforce einen Freund, der Gottes Wort gut kannte und ihm genau diese kostbare Wahrheit nahebringen konnte. John Newton half Wilberforce zu sehen, dass Gott ihn womöglich mit Absicht genau dort in der Politik platziert hatte, wo er jetzt war (1Kor 7,24): mit seinen Fähigkeiten und Einflussbereichen sich für Gottes Reich einzusetzen. Und die Geschichte sollte ihm recht geben: nicht nur wurde durch seinen Einsatz die Sklaverei im britischen Reich abgeschafft, sondern auch die Manieren reformiert (aber das ist eine andere Geschichte).


[1] https://www.christianity.com/church/church-history/timeline/1801-1900/william-wilberforce-11630357.html

[2] Os Guiness (2003). The Call – Finding and fulfilling the central purpose of your life. Nashville, TS: Thomas Nelson, S. 32.

[3] Quelle: https://www.glaubensstimme.de/doku.php?id=autoren:l:luther:z:zitate

[4] (Quelle: https://www.projekt-gutenberg.org/luther/babyloni/chap003.html)

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