Was für eine Vorstellung wäre es, wenn ein Prediger im Gottesdienst aufstehen und Folgendes von sich geben würde:
„Liebe Gemeinde, ich fasse es nicht, was hier los ist. Ihr sitzt da in euren Bänken, singt die gemeinsamen Lieder mit, geht auf die Knie oder steht auf, wenn das Gebet dran ist, hört die Predigt, habt Gemeinschaft im und nach dem Gottesdienst und spendet vielleicht gar ab und an. Wisst ihr was? Gott findet das widerlich, was ihr da macht! Ihr mögt es vielleicht nicht glauben, aber Gott hält sich unzählige Male, wenn ihr hier zusammenkommt, die Augen zu. Wie sollte auch irgendwas, das ihr mit verschmutzten Händen fabriziert und mit euren dämlichen Mäulern sprecht oder singt, dem heiligen Gott je gefallen? Abschaum seid ihr und sonst nichts. Hat Gott euch diese Dinge, die ihr tut, je geboten? Er hasst es, wenn ihr hier in diesem Zentrum der Boshaftigkeit und Gottlosigkeit Woche für Woche und sogar noch unter der Woche zusammenkommt und das tut, was ihr Gottesdienst nennt etc.“
Ganz ehrlich; weg mit so einem Prediger! Seine Sprüche kann er sich sparen. Was für ein arroganter und maßlos übertreibender Choleriker! Sicher macht es ihm Spaß, so über die von Gott geliebte Gemeinde herzuziehen: Ist das nicht eine angemessene Reaktion auf derartige Worte? Nun, diese Reaktion gab es sicherlich von den Israeliten, zu denen ähnliche Worte vor ca. 2700 Jahren durch den Propheten Jesaja geredet wurden. Ich habe diese Worte entweder wörtlich aus Jes 1,1-17 zitiert oder etwas abgewandelt und dabei nicht übertrieben. Also diese Situation, dass ein Prediger aufstand und ebendiese Worte an seine Hörer richteten, gab es in der Tat. Und jener, der diese Worte aussprach, wurde von Gott höchstpersönlich dazu beauftragt!
Gute Handlungen, aber böse Motivation
Was war das Problem der Israeliten? Was machten sie falsch? War es denn wider die Gebote Gottes, als sie Brand- und Schlachtopfer darbrachten? Waren sie rebellisch, als sie die Feiertage für heilig erachteten, von denen Gott gesagt hat, sie sollten es tun? Begingen sie ketzerische Taten, als sie ihre Hände in Richtung des Höchsten erhoben und ihre Gebete sprachen? Sicher waren diese Dinge einerseits alle gut und gottgewollt. Schließlich hat er das geboten. Doch auf der anderen Seite waren diese Dinge so grundfalsch wie sie nur sein können. Wie das? All diese „anbetenden“ Handlungen sind, gekoppelt mit Ungehorsam, Selbstsucht, einem bösen Herzen, Geiz, fehlender Liebe und Hilfsbereitschaft, einem ungerechten Lebensstil usw. einfach nur zum Weinen! Gott hat sie satt!
Hat Gott auch uns satt?
So stellt sich uns die Frage: Was sagen wir dazu, wenn mal ein Prediger den Mumm wie ein Jesaja hat und Worte wie diese an uns richtet? Wenn er unsere Laxheit geißelt; unsere fehlende Heiligung an den Pranger stellt; uns unsere Sünden vor Augen malt, dass es uns die Schamröte ins Gesicht und uns sogar zu heißer Wut treibt? Hat er womöglich recht?
Beim Volk Israel waren diese Anschuldigungen sehr angemessen. Ist es nicht denkbar, dass Gott über unser persönliches Leben und unsere Gemeinde dasselbe vernichtende Urteil spricht? Es kann sehr heilsam sein, sich diese provokanten Äußerungen zu Gemüte zu führen und sich dann die Frage zu stellen: Worauf kommt es in unseren „Worship-Zeiten“ wirklich an? Und die Antwort lautet: Es geht um dein Herz! Es geht um die innere Realität deiner Anbetung, die von äußerlichen Bewegungen, gesanglichen oder sprachlichen Äußerungen begleitet wird.
Gott sieht tiefer als wir
Dass es Gott nicht um Äußerlichkeiten geht, wird im Neuen Testament ganz deutlich betont: Nicht jemand, der äußerlich an sich jegliche Merkmale eines Juden besitzt, ist ein wahrer Jude, sondern jemand, der es innerlich ist (Röm 2,28-29). Es geht Gott nicht primär um den „Buchstaben“, sondern um den „Geist“ dahinter (was allerdings den „Buchstaben“ nicht abwertet; es geht um die Priorität).
Aber auch schon im Alten Testament kommt dieser Punkt sehr klar zum Vorschein: Lies nur einmal 5Mo 10,16/30,6 oder Jer 4,4 und du wirst sehen, dass es Gott immer schon um das Herz ging. Wenn du Gott anbetest, aber dein Herz ist nicht bei Gott – wozu dann das Ganze? Übrig bleibt lediglich kalte Religiosität, die von der Bibel hart verurteilt wird. John Piper schreibt in seinem Buch Auslegung als Lobpreis:
„Wenn das Herz fern von Gott ist, dann ist die Anbetung vergeblich, inhaltslos und nicht vorhanden, egal wie korrekt die äußerliche Form ist.“ [1]
Können wir aber so eine echte Anbetung selbst hervorrufen? Auf der einen Seite lautet diese Antwort ganz klar: Nein, das können wir nicht. Gott muss uns dieses Herz schenken (Hes 36,26; Hebr 8,10). Er selbst muss in unsere Herzen hineinsprechen: „Es werde Licht“, damit wir die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi erkennen können (2. Kor 4,6). Es ist ein schöpferischer Akt Gottes. Auf der anderen Seite entbindet uns das aber keineswegs von unserer eigenen Verantwortung. „Beschneide dein Herz“ (5Mo 10,16) – dieser Aufruf gilt nach wie vor. Und es ist unsere Verantwortung, unser Herz mit heiligen Dingen zu füllen, damit unser Mund davon übergeht (Mt 12,34).
Der eine, den Gott nicht satthat
Mit was genau sollen wir also unser Herz füllen? Die Antwort ist ganz leicht: Mit Christus! Er ist derjenige, den Gott nicht satthat. Er ist jener, über den von Gott höchstpersönlich ausgerufen wurde:
„Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“ (Mt 3,17). Und in Ihm bist auch du Sohn (Gal 4,7)! Gott hat an dir Wohlgefallen, weil du in Christus bist. Beschäftige dich mit Ihm, mit seiner Herrlichkeit, mit seinen Segnungen, mit dem Kreuz, mit seiner Auferstehung, mit seiner Himmelfahrt, mit seiner Wiederkunft und suche die Gemeinschaft mit Ihm – dann wird das Resultat hiervon wahre Anbetung sein, die Gott niemals satthat, sondern an der er sich erfreuen wird.
[1] John Piper, Auslegung als Lobpreis, 26.