1. Wenn alles bestenfalls schiefgeht
Montagmorgen: Eine wichtige Klausur steht an. Aber erst nehme ich fast den falschen Zug, dann stelle ich fest, dass ich den dringend notwendigen Taschenrechner vergessen habe, als nächstes lasse ich die Unterlagen, die ich mir vorher unbedingt nochmal ansehen wollte, aus Versehen auf dem Tisch liegen und letztendlich komme ich zur Klausur auch noch zu spät – und das obwohl ich fast eine Stunde vorher schon in der Nähe war. Die Klausur kann doch nichts werden! Manchmal geht eben einfach alles schief!
Wir fallen durch Klausuren, verpassen wichtige Termine, vergessen dringend zu erledigende Dinge. Und das sind noch die harmlosen Fälle! Was ist,wenn wir unsere Arbeitsstelle verlieren? Wenn wir das Studium kurz vor seinem Ende abbrechen müssen? Was, wenn die Menschen, die wir so lieben, eine chronische, nicht heilbare Krankheit bekommen oder wir sie ganz plötzlich verlieren?
Manchmal fragen wir uns, wieso solche Dinge überhaupt passieren, wieso Gott nichts dagegen unternimmt und wir fühlen uns in unserer Not ganz allein und getrennt von Gott.
2. Wenn Gottes König leiden muss
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Das ist gleich der zweite Vers des zweiundzwanzigsten Psalms und damit beginnt das Gebet König Davids, in dem er Gott anfleht, ihm doch in seiner großen Not zu helfen. Ihn damit nicht allein zu lassen. Denn der König leidet!
Wir alle reagieren sehr unterschiedlich auf Leid. König David reagiert hier auf die einzig vernünftige Weise: Er ruft zu Gott. Und das nicht nur einmal. In V.3 erfahren wir, dass er Tag und Nacht zu Gott betet. Und was beteter so lange? Er schüttet Gott sein Herz aus und bittet ihn um Hilfe. Aber das ist noch nicht alles. In V.4 lesen wir: „Aber du bist heilig, der du in den Lobgesängen Israels thronst.“
Trotz des Leids, das er gerade erlebt, vergisst er nicht, Gott die Ehre zu geben. Gar nicht so leicht, wenn ich bedenke, wie sehr meine Gedanken um die Probleme kreisen, wenn es mir schlecht geht. Aber unglaublich wichtig, denn Gott ist groß und verdient unser Lob – egal, was gerade in unserem Leben los ist. David bleibt demütig: „Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und vom Volk verachtet“ (V.7).
Doch es gibt noch eine wichtige Reaktion: Er bittet Gott nicht nur um seine Hilfe, sondern vor allem auch um seine Nähe und Gemeinschaft. Und das gleich zweimal (V.12+20). „Aber du, Herr, sei nicht fern; Meine Stärke,eile, mir zu helfen!“ (V.20)
Er baut in dieser großen Not nicht einfach auf sich und sein Können, sondern vertraut auch hierbei Gott. Gott ist seine wahre Stärke.
3. Wie Gottes König mit seinem Leid umgeht
Eine ziemlich gute Reaktion auf das Leid. Einen noch besseren Blick auf Leid sehen wir allerdings bei Jesus selbst. Er ist das beste Vorbild im Umgang damit. Denn er hat sehr gelitten! Die Verse, die das große Leid in diesem Psalm ausdrücken, beschreiben das von Jesus selbst: Den Spott der Menschen (V.7), die Schmerzen bei der Kreuzigung (V.17), den Verlust seines letzten Besitzes – seiner Kleidung (V.19). Und das Schlimmste: Die Trennung von Gott, als Jesus am Kreuz hängt und Gottes Zorn über die Sünde der ganzen Welt auf sich spürt.
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (V.2), das sind nicht nur die Worte des Psalmisten.Auch Jesus selbst ruft das kurz vor seinem Tod (Mt 27,46b). Niemand spürt das so sehr wie er.
Gebet, da Gott allein helfen kann
Und während der ganzen Zeit, in der Jesus so leidet, zeigt er uns deutlich, wie wir mit Leid umgehen können: Genau wie unser Psalmist ruft er in seiner Not im Garten Gethsemane zu Gott. Mehrmals! Und nicht nur das. Er ruft auch seine Jünger zum Gebet auf (Mt 26,36-46). Wie reagieren wir auf Leid? Beten wir auch zu Gott wegen unserer Not und der Menschen um uns herum? Beten wir immer wieder dafür oder glauben wir vielleicht, dass es mit einem Mal doch getan sein sollte? Und ist ein Gespräch mit Gott unsere erste Reaktion oder nicht oft nur unser allerletzter Ausweg?
Gebet, um in Einklang mit Gottes gutem Willen zu leben
Das Gebet Jesu ist auch aus einem anderen Grund ein großes Vorbild für uns: Jesus bittet nämlich nicht nur um Gottes Hilfe, wie wir es oft tun, sondern beugt sich auch demütig unter Gottes Willen, obwohl er genau weiß, dass das für ihn einen schweren Weg bedeutet. Wie sehr sind wir bereit uns in schweren Zeiten unter Gottes Willen zu stellen und nach seinem Willen zufragen? Kommt uns ein „dein Wille geschehe“ dann überhaupt noch über die Lippen oder beten wir wieder nur dafür, dass Gott unsere Probleme löst, uns die Last leichter macht oder sie vielleicht sogar ganz von uns nimmt?
Gebet, um Gottes tröstende Nähe zu suchen
Aber zurück zu unserem Psalm: Wie bereits erwähnt bittet der Schreiber dort gleich zweimal um die Nähe Gottes. Und wer hat die Nähe Gottes mehr gesucht als Jesus selbst? Immer wieder lesen wir, wie Jesus sich zurückzieht um zu beten. Egal, ob nach einem langen Tag, an dem er viel gepredigt hat (Mt 14)oder morgens früh, bevor ein anstrengender Tag beginnt (Mk 1). Er betet auch die ganze Nacht hindurch (Lk 6,12-13). Oder eben in großem Zweifel wie im Garten Gethsemane. Immer wieder sucht er das Gebet und damit die Nähe Gottes.Suchen wir Gottes Nähe auch immerzu, in jeder Situation? Nehmen wir uns bewusst Zeit dafür oder beten wir nur, wenn es gerade irgendwie passt oder wir dringend etwas brauchen? Und bauen wir ganz auf Gott? Ist er auch unsere Stärke wie der Psalmist in Vers 20 schreibt und wie Jesus es uns vorlebt? Oder das letzte, was uns noch einfällt, wenn wir selbst es mal wieder nicht hinbekommen haben?
4. Gottes König leidet wegen uns!
Diese Eigenschaften Jesu sind nicht nur wichtig, weil wir davon lernen können. Ohne Jesu Demut, sich unter den Willen Gottes zu beugen, wären wir hoffnungslos verloren gewesen, weil niemand für unsere Schuld gestorben wäre. Was wäre passiert, wenn Jesus nicht so sehr gelitten hätte? Die Antwort sehen wir in Jesaja 53,5:
„Aber er ist wegen unserer Schuld verwundet und wegen unserer Sünde zerschlagen worden. Die Strafe liegt auf ihm, damit wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt.“
Jesus musste wegen unserer Schuld so leiden und ohne ihn hätten wir die Strafe selbst tragen müssen. Durch sein Leid hat er uns Frieden geschenkt. Und wie hätte Jesus unsere Verbindung zu Gott wiederherstellen und uns die Möglichkeit, in Gottes Nähe zu sein, schenken sollen, wenn er nicht selbst immer wieder Gottes Nähe gesucht und ihn so gut gekannt hätte?
5. Wie Gottes König uns durch sein Leid Freude und Hoffnung schenkt
Okay, das ist ja alles gut und wichtig. Wir alle haben Zeiten, in denen wir wirklich leiden. Aber gerade in der Adventszeit, so kurz vor Weihnachten,bemühen wir uns doch mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften, fröhliche Menschen und vor allem fröhliche Christen zu sein. Wieso also jetzt der leidende König? Das passt doch nicht wirklich zu unserer fröhlichen Weihnachtsstimmung – oder doch?
Warum sollen wir uns vor allem in der Adventszeit an einen leidenden König erinnern? Wir sind schwer beschäftigt, rennen von Geschäft zu Geschäft,um für alle ein möglichst passendes Weihnachtsgeschenk zu finden. Wir machen uns Gedanken, um das am besten geeignete Menü für die Weihnachtstage zu finden.Dann versuchen wir noch schnell den Ablauf der nächsten Tage und vor allem der nächsten Gottesdienste so gut wie möglich zu organisieren und vorzubereiten.Aber worum es vor allem geht an dem Tag, auf den wir so hinfiebern, ist das kleine Kind, das geboren wurde. Das kleine Kind, das König über alle ist. Das kleine Kind, das später so sehr leiden muss! Weihnachten – die Ankunft des leidenden Königs.
Wenn Weihnachten nur die Ankunft eines Königs, der als Erwachsen erleiden muss, ist, dann ist das ja nicht wirklich ein Anlass, um fröhlich zu sein. Eigentlich…
Das Leid, das hier im Psalm und auch bei Jesu Kreuzigung so deutlich beschrieben wird – die ganzen Schmerzen, der Spott der Menschen, die Trennung von Gott und der Tod… All das hat Jesus aus Liebe zu uns auf sich genommen! Denn auf die Sünde, die wir immer und immer wieder tun, folgt eine traurige, schreckliche Konsequenz: Der Tod, die ewige Trennung von Gott in Feindschaft gegen ihn. Sein Gericht über uns.
Jesus hat für uns dieses Gericht erlitten, damit wir vor diesem verschont werden. Weil er uns so sehr liebt, ist er für uns gestorben. Trotz unseres ständigen Aufstandes gegen Gott, dürfen wir schon jetzt und für alle Ewigkeit bei ihm sein.
Advent: Die Ankunft eines leidenden Königs – der Grund für wahre Weihnachtsfreude!