Die Top Ten unserer Götzen: Teil IV

von Ludwig Rühle
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6. Liebe

Warum ist Liebe zu den Top-Götzen zu zählen? Gott ist doch laut der Bibel Liebe!? Ja, aber Liebe ist nicht Gott. Zu diesem Thema empfehle ich, das Kapitel „Götzendienst“ von Lars Reeh aus dem Buch „Ein Leben zu Ehre Gottes – Band 2“ zu lesen. Das haut wirklich rein! Lars zitiert darin den Journalisten Markus Günther, den ich hier auch zu Wort kommen lassen will.

Günther schrieb im Jahr 2014 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen enthüllenden Artikel mit dem Thema „Egoistische Zweisamkeit – Ersatzreligion Liebe“:

„Von Liebe als Ersatzreligion zu sprechen ist keine augenzwinkernde Übertreibung, sondern Ergebnis nüchterner Beobachtung. Denn der Mythos Liebe erfüllt ausnahmslos alle Kriterien einer Pseudoreligion: Diese höhere Macht verlangt Unterwerfung und verspricht im Gegenzug Erlösung und Heil. Sie duldet keine anderen Götter, verspricht den (siebten) Himmel und droht mit der Hölle des Alleinseins.

Die höchsten Feiertage dieser Religion heißen Valentinstag, Hochzeitstag, Geburtstag. Wer sie nicht angemessen würdigt, wird mit Liebesentzug bestraft. Die Grundgebete: Ich liebe dich. Du bist mein ein und alles. Ich bin total verrückt nach dir. Die Sakramente: Zungenküsse, Sex. Das sakrale Erkennungszeichen: rotes Herz. Die Ikonen: Fotos von UNS. Der Altar, der Ort der Erlösung: das Bett. Die Hymnen: UNSERE Songs. Die Heilige Schrift: UNSERE Liebesbriefe. Und außerdem jedes herzerweichende Zitat, das dem Gott Liebe huldigt, vom kleinen Prinzen über Elton John bis zum Apostel Paulus.

Man muss Tomaten auf den Augen haben, um den religiösen Charakter dieses Kultes zu übersehen: Das Herz als Symbol ist in der westlichen Welt längst präsenter als das Kreuz – und wird in seiner Bedeutung sicherlich besser verstanden. […] Jeder erfahrene Psychologe und Therapeut kann ein trauriges Lied davon singen, welche seelischen Verwüstungen der Götze Liebe hinterlässt. Denn die Heilserwartung kann sich nicht erfüllen. Erlösung […] kann es nicht durch einen anderen Menschen geben.

Wer sich von der Liebe den Himmel auf Erden verspricht, wird sich (und anderen) das Leben zur Hölle machen. Maßlose, ins Religiöse gesteigerte Erwartungen überfordern alle Beteiligten und führen zu bitteren Enttäuschungen. Dem Höhenflug der Gefühle (wenn man es überhaupt so weit schafft) folgt ein jäher Sturz mit hartem Aufprall. Der anfangs noch angehimmelte Erlöser erweist sich auf Dauer als recht launischer Mensch, der gemeinsame Alltag als Gedulds- und Demutsübung im emotionalen Auf und Ab. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man außer den hinreißenden auch die irritierenden Seiten des Partners kennenlernt. Liebe auf Dauer lässt nichts Menschliches aus. Dann ist Liebe plötzlich mehr eine Aufgabe als ein Gefühl.

[…] Die Vergötterung des Anderen geht Hand in Hand mit der Vergötterung des eigenen Ich, das immerzu gepflegt und in seinem Marktwert erhalten werden muss. Das erfolgreiche Objekt meiner Liebe bestätigt nur meine eigene Großartigkeit; unser zur Schau gestelltes Liebesglück schmeichelt niemandem so sehr wie mir selbst. ‚Die erotische Liebe ist die trügerischste Form der Liebe‘, schrieb Erich Fromm, ‚diese Art der Liebe ist in Wirklichkeit ein Egoismus zu zweit.‘ Die wichtigste Voraussetzung, einen anderen Menschen lieben zu können, meint Fromm, wird so gerade nicht geschaffen: die Überwindung des eigenen Narzissmus.“[1]


[1] Markus Günther: Egoistische Zweisamkeit. Ersatzreligion Liebe., http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/egoistische-zweisamkeit-ersatzreligion-liebe-13152087.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 (abgerufen am 16.07.2016).

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